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Dorit Margreiter untersucht das
„Alltägliche“, das
„Alltagsleben“ im Hinblick auf jene Bedingungen,
die die Moderne geschaffen hat, die mit den Schlagwörtern
Industrialisierung, Technologisierung, Urbanisierung, Mediatisierung
und Globalisierung umrissen werden können. Der englische Titel
„Everyday Life“ ist hier bewusst gesetzt, um auf
die allgemeine Verbindlichkeit und Dominanz der englischen Sprache in
der Film- und Medien-Industrie sowie in der Informationstechnologie zu
verweisen, die zu den wirkungsmächtigsten Faktoren der
Globalisierung zählen.
Margreiter untersucht
den Einfluss der Film- und TV-Industrie auf verschiedene Modelle der
Konstruktion von Wirklichkeit im Zusammenhang mit
zeitgenössischen Konzepten des Urbanen oder eben in Bezug auf
das „Alltagsleben“. Dabei bedient sie sich
mehrerer, historisch unterschiedlicher Modelle: Sie bezieht sich zum
einen auf spezielle Modelle der „klassischen“
Moderne – aus der Architektur (z.B. das 1947 erbaute
„Case
Study House #22, in Los Angeles) oder aus dem Hollywood-Kino, (z.B. das
vornehmlich aus Western berühmte „Monument
Vallley“), die mit symbolisch hoch besetzten Versprechungen
der Moderne (das „heroische Haus“, die einsame,
grandiose „Natur“) verbunden sind. Diese
„klassischen“ Modelle verknüpft Margreiter
mit Modellen des „Everyday Life“ von heute: Die
Welt der Werbung, der Waren, wie z.b. der Kosmetik, und –
eine andere
Form der Unterhaltungsware –, die weltweit ausgestrahlten
US-Fernsehserien, sogenannte „Soap Operas“ und
„Sitcoms“.
Margreiter nimmt
bestimmte Begriffe und Verfahren sowohl aus dem Architektur- und
Designbereich als auch aus dem Film- und TV-Genre auf, um deren formale
wie auch inhaltliche Komponenten für ihre Beschreibung der
medialen Konstruktion von Wirklichkeit zu nutzen: Ein architektonischer
Bausatz (z.b. Friedrich Kieslers TL-Struktur) oder Elemente des
Filmsets oder des TV-Studio-Raumes werden versatzstückartig in
eine Art Metabühne eingebaut, auf der Margreiters teils
dokumentarische, teils fiktive Erzählungen ihren
Aufführungsort finden.
Ein weiteres formales Element, dessen sich die Künstlerin
bedient, ist der „Establishing Shot“, jene filmisch
bedeutende längere Einstellung, die den jeweiligen Schauplatz
in einem Film oder einer TV-Serie vorweg etabliert, (z.B. die Ansicht
der Stadt Dallas für die gleichnamige TV-Serie).
Ein anderer filmischer
Begriff ist der „Space Off“, der Raum, von dem aus
eine Szene gefilmt wird, der aber selbst im Film nicht sichtbar ist.
Der „Space Off“ wird bei Margreiter zur Metapher
für den dem Publikum verborgenen Gesamtkontext, der das
käufliche oder im TV konsumierbare Produkt mitbestimmt, wie
z.B die nicht öffentlich gemachten Werbestrategien eines
Kosmetikkonzerns, der seine Produkte werbemäßig auf
bestimmte Gruppen oder Schichten von KonsumentInnen ausrichtet, wobei
Margreiter zeigt, dass diese Gruppen oder Käuferschichten
mittels der Werbestrategien überhaupt erst kreiert werden.
(Das Produkt „City Block“ z.B. richtet sich dann an
die dem Großstadtstress ausgesetzte „urbane
Frau“.)
Dabei ist es Margreiter
wichtig zu zeigen, wie die Realität der
Informationstechnologie, des Designs, der Medien-, Werbe- und Warenwelt
das „Everyday Life“ durchdringt, ja
überhaupt erst zum strukturierenden Faktor dessen wird, was
Henri Lefebvre „das Konzept des
Alltäglichen“ genannt hat. Es ist ein Konzept, das
nach seiner Analyse nur die Moderne hervorgebracht hat.
Margreiters
dialektischer Zugang zum Alltäglichen liegt in ihrer
Verknüpfung von narrativen Elementen, die einen privaten oder
dokumentarischen Hintergrund haben, wie zwei Arbeiten über und
mit ihren aus China stammenden, in den USA lebenden Verwandten
(„Short Hills“, 1999, und „Around the
World, Around the World“, 2001), mit solchen, die sie den
„Soap Operas“ und „Sitcoms“
entnimmt.
Das Video
„Studio City“ (1999) besteht aus einer Reihe von
Aufnahmen von Städten oder Außenansichten von
Häusern. Diese jeweiligen Bilder sind Establishing Shots, die
Margreiter verschiedenen TV-Serien („Melrose
Place“, „Beverly Hills 90210“) entnommen
hat. Diese Bilder werden jeweils von Bluescreen-Aufnahmen
abgelöst, die dann den Hintergrund für kurze,
gesprochene Texte bilden, Schilderungen von mit der Künstlerin
befreundeten Personen über deren jeweilige individuelle
Wohnsituation.
Erstmalig zeigt
Margreiter die Arbeit „Everyday Life“ (2001), eine
mehrteilige Video-Installation, ausgerichtet für die im
Untergeschoß liegende Halle der Galerie im Taxispalais. In
dieser Arbeit beschäftigt sich die Künstlerin mit
verschiedenen Personen, die sie „hinter“ der
Architektur von Los Angeles aufspürt und nach ihren
Vorstellungen vom „idealen Wohnen“ befragt. Sie
spricht mit Architekten, Historikern, TheoretikerInnen und
HausbesitzerInnen über deren persönliche, historische
und politische Ansichten, die auch über die Architektur
– und
deren idealisierte Form –, die sie bewohnen, Auskunft geben
bzw. dieser
widersprechen. Architektur erweist sich hier als Fassade, wo das, was
sich dahinter befindet, völlig vom Außen getrennt
ist.
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Konzert
FSK
8. Jänner 2002, 21 Uhr
FSK geben im Rahmen der
Installation Everyday Life von Dorit Margreiter ein Konzert in der
glasüberdachten unteren Halle, auf der von der
Künstlerin installierten Bühne.
Die Band FSK
(Freiwillige Selbstkontrolle, ursprünglich nach der F.S.K.
Wiesbadener Selbstzensuranstalt benannt) wurde 1980 an der
Kunstakademie München von vier Mitgliedern des
Untergrundmagazins Mode & Verzweiflung in München
gegründet. Das heutige Quintett, mit Carl Oesterhelt am
Schlagzeug, inkorporiert noch immer sämtliche
Gründungsmitglieder: Justin Hoffmann (Musiker und
Kunsthistoriker), Thomas Meinecke (Musiker, Schriftsteller und
Radiodiscjockey), Michaela Melián (Musikerin und Bildende
Künstlerin) und Wilfried Petzi (Musiker und Fotograf). 2000
veröffentlichten FSK mit X ihr 10. Studioalbum.
Nach den "New
Wave"-Adaptionen deutscher Liedtradition in den 80er Jahren und der,
weite Strecken der neunziger Jahre überdauernden, Spurensuche
und Dekonstruktion transatlantischer Folklore haben sie das klassische
Song-Format hinter sich gelassen. Heute sind sie bei abstrakten
Instrumentals angelangt, die auf zeitgenössischer
elektronischer Musik basieren und sich zwischen Jazz, Punk und
Electronica zu einem unprätentiösen Soundtrack zur
"modernen Welt" verdichten.
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