Michelangelo Pistoletto
11. August – 10. Oktober 1999

 
 
Pistoletto Pistoletto

Michelangelo Pistoletto, "Gabbia Specchio", 1975/1992, Ausstellungsansicht Galerie im Taxispalais, Foto: Robert Fleischanderl

Ausstellungsansicht, Foto: Robert Fleischanderl
 
  Eröffnung
10. August 1999, 18 Uhr

Eröffnung durch LR Fritz Astl
Giuliano Merz, Italienisches Kulturinstitut Innsbruck, und Silvia Eiblmayr sprechen zur Ausstellung
 

Die Galerie im Taxispalais präsentiert von 11. August bis 10. Oktober 1999 den italienischen Künstler Michelangelo Pistoletto. Pistoletto, einer der Hauptvertreter der "arte povera", ist auch einer der wichtigen Protagonisten der Aktions-Theater- und Performancekunst der späten sechziger und siebziger Jahre in Italien. Sein performatives Werk wird in der Ausstellung besonders berücksichtigt werden und in einer Publikation künstlerisch und wissenschaftlich aufbereitet.

Die Ausstellung zeigt vornehmlich frühe Arbeiten des Künstlers aus den Jahren 1962 – 1978. Sie wird anhand repräsentativer Werke über die wichtigsten Aspekte von Pistolettos künstlerischem Schaffen informieren.

Michelangelo Pistoletto hat für alle Räume inklusive des Foyers der Galerie ein Gesamtkonzept entworfen: Ein Raum ist den "Spiegel-Malereien" gewidmet, bei denen Pistoletto Fotovorlagen, auf denen Personen abgebildet sind, auf Siebdruck überträgt und diese "Malereien" wiederum auf Spiegeloberflächen aus Stahl montiert. Die auf den Spiegeln freigestellten Figuren erzeugen auf den ersten Blick die Illusion, als wären sie real anwesend. Für die BetrachterInnen verwandelt sich dadurch die Ausstellung in einen Reflexionsraum, in dem sie sich selbst als ebenfalls gespiegelte Teile des Kunstwerks wiederfinden. Pistoletto führt hier ein Zeitmoment ein, eine "vierte Dimension", durch die das Kunstwerk auf Grund der sich die wandelnden Situationen im Ausstellungsraum ebenfalls ständig verändert wird.

Im Hauptraum der Galerie, der durch das Glasdach von oben einsichtigen Halle im Untergeschoß der Galerie, stehen fünf "Gabbie specchio" ("Spiegel Käfige", 1975/1992). Der "Gabbia Specchio" ist eine der bedeutenden Arbeiten aus Pistolettos Konzept "Divisione e Multiplicazione", das er seit 1972 entwickelt hat. Der "Gabbia specchio" besteht aus je zwei horizontalen Stahlgerüsten aus runden Rohren, auf deren Vorderseite Spiegel montiert sind. Die "Gabbie Specchio" werden mit aneinanderstoßenden Spiegelkanten in je unterschiedlichen Winkeln so zueinander positioniert, daß die Spiegel sich dem Winkel entsprechend vervielfachen. Beim größten Winkel ergibt die Spiegelung von zwei Spiegeln drei, beim nächsten vier, dann sieben und beim vierten Paar über dreißig Spiegel. Beim letzten "Gabbia Specchio" sind die beide Teile mit den Spiegelflächen völlig aneinander gerückt. In dieser Position schließen die Spiegel die Unendlichkeit ein, zu der Pistolettos "teilendes und multiplizierendes" Konzept letzlich hinführt.

Ebenfalls im Untergeschoß steht ein Pozzo cartone" ("Karton Brunnen"), ein "Oggetto in meno" ("Minus-Objekt"). Die "Oggetti in meno", seit der Mitte der sechziger Jahre entstanden, sind formal minimalistische, manchmal Alltagsgegenständen sehr ähnliche Objekte, die über ihre ästhetische Struktur und ihren Titel einen Status einfordern, der dem damaligen Skulpturenbegriff der Moderne völlig entgegengesetzt ist. Pistoletto sucht nicht ein "Mehr" an Form, Material oder Ausdruck, sondern es geht ihm um die Subtraktion, sowohl was die formalen Elemente als auch die "individuelle Handschrift" des Künstlers betrifft: "Es sind keine Konstruktionen sondern Befreiungen. – Ich betrachte sie nicht als hinzugefügte, sondern als Minus-Objekte, womit ich meine, daß sie eine Wahrnehmungserfahrung mit sich bringen, die endgültig in die Außenwelt gedrängt worden ist."

Ebenfalls ein "Minus-Objekt" ist die "Sfera di giornali", die "Kugel aus Zeitungspapier", die Künstlergruppe der Theaterplattform "Lo Zoo", 1968 von Pistoletto, Maria Pioppi und Carlo Colnaghi gegründet, 1968 durch die Straßen von Turin gerollt hat. In der Ausstellung ist zusammen mit einer Videoprojektion der historischen Szene eine (ebenfalls zum Rollen gedachte) "Sfera" zu sehen, die Pistoletto vor einigen Jahren in Zusammenhang mit seinem "Progetto Arte" produziert hat. Im "Progetto Arte" führt Pistoletto sein Kunstkonzept weiter, das von Anfang an einen performativen Grundzug hatte, und, beginnend mit "Lo Zoo", die künstlerische Idee der kollektiven, kreativen Zusammenarbeitverfolgt hat.

Neben einer Reihe weiterer Arbeiten werden auch die "Venere degli stracci" ("Lumpenvenus", 1967), das "orchestra degli stracci" ("Lumpenorchester"), das "Monumentino", die "Slitta di aqua e sapone ("Schlitten aus Wasser und Seife" (1967) gezeigt, Arbeiten, die aus alltäglichen, "armen" Materialien bestehen wie eben Lumpen, Seife, Kerzen, Glühbirnen oder dampfende Wasserkessel.

Außerdem werden einige Arbeiten die bedeutenden Konzepte Pistolettos aus den siebziger Jahren repräsentieren, bei denen er sich z.B. reflexiv mit dem Ort des Ausstellens, der Galerie, auseinandersetzt ("Die Galerien", 1977-78) oder mit der Frage des Verhältnisses zwischen BetrachterIn und Objekt, zwischen Fotografierendem/r und seinem/ihrem Gegenüber ("Er und sie fotografieren sich", 1973, "Die Vorlesung", 1975-77).

Ein eigener Raum präsentiert umfangreiches dokumentarische Material von Pistolettos performativen und theaterbezogenen Arbeiten (Fotos, Plakate, schriftliche Dokumente, Skizzen, Manifeste u.a.). Ergänzend ist auf Video in historischen Film- und Fotodokumenten eine umfassende Präsentation seiner Aktionen und Performances zu sehen, die auch den Schwerpunkt des zur Ausstellung produzierten Buches bilden. Ebenso auf Video gibt Pistoletto persönliche Stellungnahmen und theoretische Ausführungen zu seiner Arbeit (1998 entstanden).

 
 

Buch
Michelangelo Pistoletto. Azioni Materiali
Hg. Silvia Eiblmayr, Galerie im Taxispalais
Beiträge von Gillo Dorfles, Matthias Dusini, Mario Mercuri, Achille Bonito Oliva, Michelangelo Pistoletto, Maria Pioppi im Gespräch mit Silvia Eiblmayr (dt./engl./ital.)
Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 1999
282 Seiten, 52 Abb.
Preis € 17,40
ISBN 3-88375-392-0

Einen Schwerpunkt bildet die Dokumentation der Aktionen der Theaterplattform "Lo Zoo", an der Michelangelo Pistoletto und seine Frau, die Künstlerin Maria Pioppi, maßgeblich mitwirkten. Erstmals werden durch Fotografien, Statements, Plakate und anderes Material die Performances und das Straßentheater des "Zoo" dokumentiert und durch historische und aktuelle Texte kommentiert. Diese Publikation ist das vierte Buch einer von Pistoletto 1989 begonnenen Publikationsreihe zu seinen verschiedenen Werkbereichen bzw. Aspekten seiner Arbeit sein.
Bereits erschienen: "Michelangelo Pistoletto. Ogetti in meno", 1990, Kunsthalle Bern u. Wiener Secession, "Michelangelo Pistoletto e la fotografia", 1992, Witte de With, Rotterdam u. Fundâcio Serralves, Porto, und "Michelangelo Pistoletto. Praevidentia, Memoria, Intelligentia", 1995, Städtische Galerie im Lenbachhaus München).

 
 

Künstlergespräch
Matthias Dusini spricht zum Buch "Michelangelo Pistoletto. Azioni Materiali"
2. Oktober 1999

 
Galerie im Taxispalais Maria-Theresien-Str. 45 A-6020 Innsbruck
Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr LeseRAUM: Di-Sa 11-18, Do 11-20 Uhr
T +43/512/508-3172, -3173 F 508-3175 taxis.galerie@tirol.gv.at