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Die Galerie im
Taxispalais präsentiert von 11. August bis 10. Oktober 1999
den italienischen Künstler Michelangelo
Pistoletto. Pistoletto, einer der Hauptvertreter der "arte
povera", ist auch einer der wichtigen Protagonisten der
Aktions-Theater- und Performancekunst der späten sechziger und
siebziger Jahre in Italien. Sein performatives Werk wird in der
Ausstellung besonders berücksichtigt werden und in einer
Publikation künstlerisch und wissenschaftlich aufbereitet.
Die Ausstellung zeigt
vornehmlich frühe Arbeiten des Künstlers aus den
Jahren 1962 – 1978. Sie wird anhand repräsentativer
Werke über die wichtigsten Aspekte von Pistolettos
künstlerischem Schaffen informieren.
Michelangelo Pistoletto
hat für alle Räume inklusive des Foyers der Galerie
ein Gesamtkonzept entworfen: Ein Raum ist den "Spiegel-Malereien"
gewidmet, bei denen Pistoletto Fotovorlagen, auf denen Personen
abgebildet sind, auf Siebdruck überträgt und diese
"Malereien" wiederum auf Spiegeloberflächen aus Stahl
montiert. Die auf den Spiegeln freigestellten Figuren erzeugen auf den
ersten Blick die Illusion, als wären sie real anwesend.
Für die BetrachterInnen verwandelt sich dadurch die
Ausstellung in einen Reflexionsraum, in dem sie sich selbst als
ebenfalls gespiegelte Teile des Kunstwerks wiederfinden. Pistoletto
führt hier ein Zeitmoment ein, eine "vierte Dimension", durch
die das Kunstwerk auf Grund der sich die wandelnden Situationen im
Ausstellungsraum ebenfalls ständig verändert wird.
Im Hauptraum der
Galerie, der durch das Glasdach von oben einsichtigen Halle im
Untergeschoß der Galerie, stehen fünf "Gabbie
specchio" ("Spiegel Käfige", 1975/1992). Der "Gabbia Specchio"
ist eine der bedeutenden Arbeiten aus Pistolettos Konzept "Divisione e
Multiplicazione", das er seit 1972 entwickelt hat. Der "Gabbia
specchio" besteht aus je zwei horizontalen Stahlgerüsten aus
runden Rohren, auf deren Vorderseite Spiegel montiert sind. Die "Gabbie
Specchio" werden mit aneinanderstoßenden Spiegelkanten in je
unterschiedlichen Winkeln so zueinander positioniert, daß die
Spiegel sich dem Winkel entsprechend vervielfachen. Beim
größten Winkel ergibt die Spiegelung von zwei
Spiegeln drei, beim nächsten vier, dann sieben und beim
vierten Paar über dreißig Spiegel. Beim letzten
"Gabbia Specchio" sind die beide Teile mit den Spiegelflächen
völlig aneinander gerückt. In dieser Position
schließen die Spiegel die Unendlichkeit ein, zu der
Pistolettos "teilendes und multiplizierendes" Konzept letzlich
hinführt.
Ebenfalls im
Untergeschoß steht ein Pozzo cartone" ("Karton Brunnen"), ein
"Oggetto in meno" ("Minus-Objekt"). Die "Oggetti in meno", seit der
Mitte der sechziger Jahre entstanden, sind formal minimalistische,
manchmal Alltagsgegenständen sehr ähnliche Objekte,
die über ihre ästhetische Struktur und ihren Titel
einen Status einfordern, der dem damaligen Skulpturenbegriff der
Moderne völlig entgegengesetzt ist. Pistoletto sucht nicht ein
"Mehr" an Form, Material oder Ausdruck, sondern es geht ihm um die
Subtraktion, sowohl was die formalen Elemente als auch die
"individuelle Handschrift" des Künstlers betrifft: "Es sind
keine Konstruktionen sondern Befreiungen. – Ich betrachte sie
nicht als hinzugefügte, sondern als Minus-Objekte, womit ich
meine, daß sie eine Wahrnehmungserfahrung mit sich bringen,
die endgültig in die Außenwelt gedrängt
worden ist."
Ebenfalls ein
"Minus-Objekt" ist die "Sfera di giornali", die "Kugel aus
Zeitungspapier", die Künstlergruppe der Theaterplattform "Lo
Zoo", 1968 von Pistoletto, Maria Pioppi und Carlo Colnaghi
gegründet, 1968 durch die Straßen von Turin gerollt
hat. In der Ausstellung ist zusammen mit einer Videoprojektion der
historischen Szene eine (ebenfalls zum Rollen gedachte) "Sfera" zu
sehen, die Pistoletto vor einigen Jahren in Zusammenhang mit seinem
"Progetto Arte" produziert hat. Im "Progetto Arte" führt
Pistoletto sein Kunstkonzept weiter, das von Anfang an einen
performativen Grundzug hatte, und, beginnend mit "Lo Zoo", die
künstlerische Idee der kollektiven, kreativen
Zusammenarbeitverfolgt hat.
Neben einer Reihe
weiterer Arbeiten werden auch die "Venere degli stracci"
("Lumpenvenus", 1967), das "orchestra degli stracci"
("Lumpenorchester"), das "Monumentino", die "Slitta di aqua e sapone
("Schlitten aus Wasser und Seife" (1967) gezeigt, Arbeiten, die aus
alltäglichen, "armen" Materialien bestehen wie eben Lumpen,
Seife, Kerzen, Glühbirnen oder
dampfende Wasserkessel.
Außerdem
werden einige Arbeiten die bedeutenden Konzepte Pistolettos aus den
siebziger Jahren repräsentieren, bei denen er sich z.B.
reflexiv mit dem Ort des Ausstellens, der Galerie, auseinandersetzt
("Die Galerien", 1977-78) oder mit der Frage des Verhältnisses
zwischen BetrachterIn und Objekt, zwischen Fotografierendem/r und
seinem/ihrem Gegenüber ("Er und sie fotografieren sich", 1973,
"Die Vorlesung", 1975-77).
Ein eigener Raum
präsentiert umfangreiches dokumentarische Material von
Pistolettos performativen und theaterbezogenen Arbeiten (Fotos,
Plakate, schriftliche Dokumente, Skizzen, Manifeste u.a.).
Ergänzend ist auf Video in historischen Film- und
Fotodokumenten eine umfassende Präsentation seiner Aktionen
und Performances zu sehen, die auch den Schwerpunkt des zur Ausstellung
produzierten Buches bilden. Ebenso auf Video gibt Pistoletto
persönliche Stellungnahmen und theoretische
Ausführungen zu seiner Arbeit (1998 entstanden).
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Buch
Michelangelo Pistoletto. Azioni Materiali
Hg. Silvia Eiblmayr,
Galerie im Taxispalais
Beiträge von Gillo Dorfles, Matthias Dusini, Mario Mercuri,
Achille Bonito Oliva, Michelangelo Pistoletto, Maria Pioppi im
Gespräch mit Silvia Eiblmayr (dt./engl./ital.)
Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 1999
282 Seiten, 52 Abb.
Preis € 17,40
ISBN 3-88375-392-0
Einen Schwerpunkt bildet
die Dokumentation der Aktionen der Theaterplattform "Lo
Zoo", an der Michelangelo Pistoletto und
seine Frau, die
Künstlerin Maria Pioppi, maßgeblich mitwirkten.
Erstmals werden durch Fotografien, Statements, Plakate und anderes
Material die Performances und das Straßentheater des "Zoo"
dokumentiert und durch historische und aktuelle Texte kommentiert.
Diese Publikation ist das vierte Buch einer von Pistoletto 1989
begonnenen Publikationsreihe zu seinen verschiedenen Werkbereichen bzw.
Aspekten seiner Arbeit sein.
Bereits erschienen: "Michelangelo Pistoletto. Ogetti in meno", 1990,
Kunsthalle Bern u. Wiener Secession, "Michelangelo Pistoletto e la
fotografia", 1992, Witte de With, Rotterdam u. Fundâcio
Serralves, Porto, und "Michelangelo Pistoletto. Praevidentia, Memoria,
Intelligentia", 1995, Städtische Galerie im Lenbachhaus
München).
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