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Die Ausstellung von Milica Tomić
in der Galerie im Taxispalais war für das
Frühjahr 1999 geplant, musste aber auf Grund des Krieges in
Ex-Jugoslawien verschoben werden.
Milica Tomić
gehört zu den wenigen serbischen KünstlerInnen, die
sich bereits vor Jahren in ihrer künstlerischen Arbeit
kritisch mit der politischen Situation im Kosovo und in Serbien
auseinandergesetzt haben. Tomić wird "XY ungelöst", eine
Arbeit von 1997 zeigen sowie zwei kürzlich fertiggestellte
Arbeiten : "I am Milica Tomic" (1998/99) und "Portrait meiner Mutter"
(1999).
In ihrer Video-Arbeit "XY ungelöst" (1997), die sie
für eine Gruppenausstellung in Belgrad mit dem Titel "Murder
1" (1997) konzipierte, bezog sich Tomić als einzige Künstlerin
direkt auf die Anfänge des Krieges in Jugoslawien und auf die
Verletzung der Menschenrechte durch die serbische Polizei. In einer
symbolischen Nachstellung lässt die Künstlerin jene
vierzig Menschen auftreten, die im März 1989 Kosovo von der
serbischen Polizei erschossen wurden, als sie gegen die damals be
schlossene Wegnahme der Autonomie des Kososovo demonstrierten.
Im Video werden diese Toten durch Personen verkörpert, die
alle der künstlerischen Szene Belgrads angehören. Die
Parteinahme von Serben für die albanische
Bevölkerungsgruppe und die symbolische Identifikation mit
deren Angehörigen bedeutete den Bruch eines unausgesprochenen
Tabus. Daran zu erinnern, galt als fast "unanständig", "gegen
die guten Sitten", weil es an Geschehnisse rührte, die
verdrängt werden mussten.
Der Titel "XY ungelöst" (Tomić machte als Kind deutsche
TV-Erfahrungen), verweist auf die grundsätzliche Problematik,
ein Verbrechen zu rekonstruieren und thematisiert den Zusammenhang von
sogenannter Wirklichkeit und Fiktion, die durch die Medien
mitproduziert wird.
"I am Milica Tomić"
(1998/99) ist eine Video-Arbeit, die auch für das Internet
konzipiert wurde und dort im Lauf der nächsten Wochen
zugänglich sein wird. Tomić beschäftigt sich mit der
Frage ihrer Identität "als Serbin und orthodoxe Christin".
Diese politisch und kollektiv verordnete Identität, kann sie
nur als eine problematische und gespaltene begreifen. Sie widersetzt
sich der Forderung, ein Teil eines "gesunden Volkskörpers" zu
sein, und entscheidet sich dafür, öffentlich von der
Position der Verletzten zu sprechen, um damit das Trauma offenzulegen,
das dieser Identitätskonstruktion zu Grunde liegt. In einer
paradoxen Rhetorik leugnet sie öffentlich ihre
"Identität", indem sie dem Satz "I am Milica Tomić –
I am
Serbian" die Behauptung folgen lässt: "I am Milica Tomić
– I
am Korean" oder "... I am Norwegian" us.w. Tomić zitiert dazu Etienne
Balibar: "Jede Gemeinschaft ist imaginär, aber nur
imaginäre Gemeinschaften sind real".
"Portrait meiner Mutter"
oder "Portrait von M.M." (1999) ist eine Video- und Foto-Arbeit, die
Tomić während der Monate des NATO-Bombardements machte. Tomic
filmte und fotografierte in den Strassen Belgrads, ohne eine bestimmte
Handlung im Auge zu haben. Parallel dazu hören wir
Gespräche, die sie mit der Mutter führt. "M.M."
(Marija Milutinović) war eine bedeutende Schauspielerin in den
fünfziger und sechziger Jahren, die in
Avantgardestücken spielte und als eine Repräsentantin
der jugoslawischen Moderne galt. Später, zeitlich parallel mit
dem Beginn der Krise ethnischer Identitäten in Jugoslawien
wandte sie sich völlig der Religion und der Webkunst zu,
beides im völligem Gegensatz zu ihrer früheren
Haltung. Tomić verschränkt die indviduelle Geschichte ihrer
Mutter mit der problematischen Geschichte Serbiens, nicht ohne sich
selbst in diesen Konflikt miteinzuschliessen indem sie sich selbst in
Konfrontation der Mutter begibt. In einer widersprüchlichen
Dialektik kommt sowohl das zur Sprache, wo sich beide Frauen sehr
ähnlich sind, als auch das, wo sich Tomić der Haltung der
Mutter widersetzt.
Übernahme
der Ausstellung durch die Kunsthalle Wien und das Museum voor Moderne
Kunst Arnhem, NL |
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Diskussion
Post-Jugoslawien: Kunst / Politik
Samstag, 13. November
Negative Gegenwart –
Kunst und
Politik
ReferentInnen:
Branko Dimitrijević,
Kurator, Belgrad; Georg Schöllhammer,
Kunstzeitschrift springerin, Wien; Milica Tomić, Künstlerin;
Annemarie Türk, KulturKontakt Austria, Wien; Moderation:
Bojana Pejić,
Kuratorin, Kunsttheoretikerin, Berlin
Europa und der
Zusammenbruch Jugoslawiens
ReferentInnen:
Boris Buden, Kulturpublizist, Zagreb/Wien; Rastko Moćnik,
Kulturtheoretiker, Ljubljana; Biljana Srbljanović, Dramatikerin,
Belgrad; Branimir Stojanović,
Kulturtheoretiker, Belgrad; Moderation:
Andreas Pribersky, Politologe, Wien
ReferentInnen
Boris Buden
* 1958, Studium der Philosophie in Zagreb, journalistische u.
publizistische Tätigkeit im ehemaligen Jugoslawien, zahlreiche
Publikationen in Kroatien u. im Ausland. In Österreich u.a. in
Literatur und Kritik u. Werkblatt - Zeitschrift für
Psychoanalyse und Gesellschaftskritik, Chefredakteur der Zeitschrift
Bastard in Zagreb; lebt seit 1990 in Wien.
Branko
Dimitrijević
* 1967, Kunstheoretiker u. Kurator, arbeitet für das Centre
for Contemporary Art in Belgrad, wo er z. Zt. ein Seminar für
Kunstgeschichte und -theorie aufbaut. Herausgeber von "Pop Vision".
Kuratierte zusammen mit Branislava Andjelkovic u.a. die Ausstellungen
"Map Room", (1995), "Murder 1" (1997), "Beauty and Terror" (1998) u.
"Overground" (1998); lebt in Belgrad.
Rastko Moćnik
lehrt "Theorie des Diskurses und der Wissenschaft vom Menschen" an der
Universität Ljubljana; zahlreiche Publikationen, u.a.:
"Wieviel Faschismus? - Essays zur postkommunistischen Politik", Zagreb
1998; "Drei Theorien - Ideologie, Nation, Institution", Ljubljana,
1999; "Das 'Subjekt, dem unterstellt wird zu glauben' und die Nation
als Null-Institution; in: H. Boeke u.a., Hg., "Denk-Prozesse nach
Althusser", Argument, 1994
Bojana Pejić
Kunsttheoretikerin u. Ausstellungskuratorin,
u.a.: "After the Wall",
z.Zt. im Moderna Museet Stockholm; zahlreiche Texte zur
Gegenwartskunst; arbeitet an einer Dissertation zum Thema "Politik der
Repräsentation und Repräsentation der Politik in der
Öffentlichkeit der SFR Jugoslawien"; stammt aus Belgrad und
lebt in Berlin.
Dr. Andreas
Pribersky
* 1957, Politologe, 1990-96 Leiter der Aussenstelle Budapest, seit 1997
Leiter der Sozialwissenschaftlichen Abteilung des
Österreichischen Ost- und Südosteuropa Instituts,
Lektor an
den Universitäten Innsbruck und Wien; zahlreiche
Publikationen, u.a.: A. Pribersky / B. Unfried (Hg.): "Symbole und
Rituale des Politischen. Ost- und Westeuropa im Vergleich", 1999; lebt
in Wien.
Georg
Schöllhammer
* 1958, Kunstheoretiker, Redakteur (V.i.S.d.P.) von springerin Hefte
für Gegenwartskunst; 1992-97 Gastprofessur an der HS
für künstlerische und industrielle Gestaltung in
Linz; 1998 Leitung des internationalen Medien-Kunst-Projekts
"Translocation", u.d. gleichnamigen Ausstellung
in der Generali Foundation, Wien; zahlreiche Publikationen zu Kunst und
Architektur; lebt in Wien.
Biljana Srbljanović
* 1970, Dramatikerin; Stücke: "Belgrader Trilogie", 1997,
"Familiengeschichten. Belgrad", 1998, "Der Sturz", 1999, lebt in
Belgrad.
Branimir Stojanović
* 1958, Studium der Philosophie an der Universität Belgrad,
seit 1980 zahlreiche Publikationen zur Philosophie des 20. Jahrhunderts
und zu Theorien der Psychoanalyse; lebt in Belgrad.
Milica Tomić
* 1960, Kunststudium an der Universität für bildende
Künste in Belgrad, 1990 Diplom; seit 1988 zahlreiche
Ausstellungen im In- und Ausland; u.a.: "Zonen der
Ver-Störung", steirischer herbst 97, Graz, 1997, Biennale Sao
Paolo, 1998; lebt in Belgrad.
Annemarie Türk
Seit 1992 bei KulturKontakt Austria, seit 1995 Bereichsleitung
Kulturförderung und Sponsoring; lebt in Wien
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