Efrat Shvily (IL)
Ohne Titel 1992 - 1998
11 Fotografien, s/w
Sommer Contemporary Art, Tel Aviv
Efrat Shvily in einem Gespräch mit Ariella Azoulay unter dem Titel "The Provisional Cities"
E.S. [...] ich versuche etwas über die Israelis in ihrem Land zu sagen. Ich fotografierte Dinge, denen ich begegnete: Eines davon war der neue Bau-Boom, den ich in dieser Zeit (1992) an jedem Ort, in jeder Stadt und Gegend antraf.
A.A. Als Sie diese Fotografien machten, waren Sie da auf der Suche nach der "Idealen Stadt"?
E.S. Nein, aber ich fand sie. Die neuen Bauten sind losgelöst von der Umwelt, rein und "ursprünglich" wie ein architektonisches Modell, kalt, fremd und inhuman. Sie sind mehr eine Idee als eine Realität. Diese "Entdeckung" interessierte mich aus zwei Gründen.
Einer hatte damit zu tun, dass die "Ideale Stadt" eine Metapher
für das heutige Israel ist und für den Zionismus generell. Der Zionismus
hat in großem Maß der Natur, der Vegetation und der palästinensischen
Bevölkerung keine Beachtung geschenkt. Der zweite Grund hängt mit
der Fotografie zusammen, mit der Sprache der Fotografie. Ich fand es interessant,
einen simulierten und unrealistischen Effekt von einem realen Objekt zu erzielen
- den Gebäuden - und zwar mit den Mitteln der direkten und traditionellen
Fotografie.
[...]
A.A. Das fotografierte Objekt ist ein Gebäude, aber das wirkliche Thema sind Wohn-quartiere, Besetzung, Eroberung, Entwurzelung und ganz allgmein Lebensformen.
E.S. Das Thema, das mich beschäftigt, ist die
Verbindung oder die fehlende Verbindung zwischen den Menschen und dem Land,
die sich in den Bauten der neunziger Jahre in Israel widerspiegelt. Ich war
sehr von Italo Calvinos Buch "Die unsichtbaren Städte" beeinflusst, wenn
er von Städten spricht, die auf einer Idee gründen. Ich versuchte
etwas Ähnliches zu machen - eine Stadt oder Bauten zu fotografieren, über
das Wesen zu sprechen, über den gemeinsamen Nenner zwischen allen diesen
Orten. Das Gebäude erscheint mir als ein Objekt, über das man eine
Aussage machen kann; ich spreche nicht über bestimmte Orte sondern über
die besondere Verbindung zwischen den Menschen und dem Land.
[...]
Obwohl mein fotografischer Stil direkt und traditionell
ist, ohne Manipulation und Inszenierung, geht es mir um Fragen der Komposition.
Ein Teil der Bilder erinnert an Computer-Simulationen. Ich versuche die traditionelle
Fotografie mit der virtuellen Realität der neunziger Jahre zu verbinden.
[...]
Abgesehen davon, dass ich über Israel im Allgemeinen spreche, geht es hier auch um mich selbst, über meine Beziehung zu dem Ort, über mein eigenes Gefühl nicht dazuzugehören. Heute habe ich schon eher so etwas wie ein Ganzheitsgefühl in Bezug auf mein Leben hier, aber als ich 1989 nach zehn Jahren zurückkam, fand ich mich einem ganz akuten Zustand von Fremdheit, Vergänglichkeit und Entwurzelung. Es gibt noch ein zusätzliches Gefühl gegenüber diesem Land, das mich immer verfolgt hat und das besonders in den neueren Arbeiten ganz auffällig ist - ein Gefühl von Unsicherheit, von drohendem Unheil, ein Gefühl, dass das nur ein provisorischer Ort ist, ein Ort, an dem die eigene Existenz in Frage gestellt ist.