Jana Gunstheimer
'Ich bin ein Schwein. Macht mich heilig.'
Im Stil der Dokufiktion entwirft Jana Gunstheimer Parallelwelten und persifliert gesellschaftliche Zustände, die im Spannungsverhältnis von Reality Soaps wie Big Brother und Überwachungs- und Disziplinierungsmaßnahmen der Gesellschaft zwar unheimlich und abschreckend aber doch nicht unmöglich scheinen.
In ihrer Arbeit Heiligsprechung, die erstmalig in Österreich in der Galerie im Taxispalais zu sehen sein wird, stellt sie ein Projekt der österreichischen Bundesregierung vor, die 1976 eine Staatliche Behörde zur Kanonisation einrichtete, in Anlehnung an die katholische, kirchenrechtliche Heiligsprechung. Österreichische Bürgerinnen und Bürger konnten bei dieser Behörde für einen beträchtlichen finanziellen Beitrag die „Heiligsprechung“ für sich oder auch andere beantragen. Persönliche Eitelkeiten, religiöser Fanatismus und andere Beweggründe veranlassten die BewerberInnen dazu, sich dem Eignungsverfahren zu unterziehen, das tief in die Privatsphäre eingriff und einem dubiosen staatlichen Voyeurismus unterlag. Obwohl die Behörde 1981 wieder geschlossen wurde, waren in dieser Zeit 8625 Bewerbungen eingegangen, von diesen wurden allerdings nur drei Personen in den Stand von Nationalhelden erhoben.
Ein quasi dokumentarisches Archiv macht scheinbare Beweise über die fiktive Behörde zugänglich. Anträge, Briefe und täuschend echt gezeichnete Zeitungsberichte sowie an schwarz-weiß Fotos erinnernde Aquarelle vermitteln Authentizität und geben der Erzählung einen realen Anschein. Die Geschichte scheint absurd und doch nicht abwegig im österreichischen Bürokratie- und Behördendschungel und in einem Land, in dem die katholische Kirche maßgeblich zur kulturellen Sozialisierung beiträgt.
Jana Gunstheimer
geboren 1974 in Zwickau, lebt und arbeitet in Jena. Sie studierte Ethnologie und Kunstgeschichte an der Universität Leipzig sowie Bildende Kunst an der Hochschule für Kunst und Grafik in Halle, in Athen und in Ohio. Sie ist Trägerin des Marion Ermer Preises und hatte zahlreiche Stipendien, derzeit in der Villa-Massimo in Rom. Ausstellungen: Galerie Römerapotheke, Zürich (2010), Galerie Charlie Smith London (2009), Galerie Conrads, Düsseldorf (2008), Kunsmuseum Bonn (2008), Württembergischer Kunstverein Stuttgart (2008), The Art Institute of Chicago (2007), Brandts Kunsthallen, Odense, DK (2006) etc.
PARALLELE AUSSTELLUNG
Simon Wachsmuth. Aporia/Europa
24. Juli - 12. September 2010
Eröffnung
Freitag, 23. Juli 2010, 19 Uhr
Zur Eröffnung sprechen
Dr. Thomas Juen
Vorstand Abteilung Kultur, Amt der Tiroler Landesregierung
Dr. Beate Ermacora
Direktorin Galerie im Taxispalais
Publikation
Hg. Galerie Conrads, Düsseldorf und Galerie im Taxispalais, Innsbruck