Ketty La Rocca
6. Juni 10. August 2003

 
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Ketty La Rocca, "Le mie parole, e tu?", 1971-72, Courtesy Galleria Emi Fontana, Milano, e Archivio Michelangelo Vasta, Firenze
 
  Eröffnung
5. Juni 2003, 19 Uhr

Eröffnung duch Dr. Herta Arnold, Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung Kultur
Zur Ausstellung spricht Dr. Silvia Eiblmayr
 
 

Ketty La Rocca gehört zu den bedeutendsten VertreterInnen der konzeptuellen Kunst in Italien. Die Arbeit der früh verstorbenen Künstlerin umfasst die visuelle Poesie, die bildende Kunst und die Performance. Die poetische, experimentelle, medienkritische Untersuchung von La Rocca gilt der Sprache, den Bildern und stereotypen Zeichen der Alltagswelt mit dem Ziel, die herrschende Politik der Körper sichtbar zu machen.

La Roccas früheste Arbeiten sind Collagen, mit denen sie 1964 begann. Bereits in ihnen verdichtet sie in eindrucksvoller und prägnanter Form ihre politische Kritik, mit der sie zugleich ein Zeugnis von der Aufbruchstimmung dieser Zeit gibt. Zur Debatte stand eine Gesellschaft, die zunehmend von Konsum und Medien dominiert und konditioniert wurde. La Rocca übernahm den Ansatz der Popart, die Bilder der Medien und der Waren in all ihrer Stereotypie und Trivialität zuerst anzuerkennen, um die Kunst mit einem von ihr bisher unbeachteten sozialen Feld zu konfrontieren. La Rocca verschrieb sich in Vorwegnahme späterer kritischer Konzepte jedoch nicht dem zumeist affirmativen Charakter der Popart. Sie brachte in ihrer "Poesia Visiva" mit sarkastisch-poetischem Sprach- und Bildwitz die Versprechungen, die die Werbung den Frauen machte, zum Kippen. Bilder und Slogans der saturierten Konsumwelt oder der Kirche montierte sie zusammen mit Bildern der so genannten Dritten Welt und des Krieges, um die westliche Ignoranz gegenüber anderen Kulturen oder gegenüber Opfern bloßzustellen.

Die Strategie, das Bild oder sprachliche Zeichen in ihrer repräsentativen Klischeehaftigkeit dingfest zu machen, um damit deren soziale Konvention zu unterlaufen und in etwas anderes zu verwandeln, wandte La Rocca auch beim einzelnen Buchstaben oder Schriftzeichen an. Ein "J" oder ein Komma verselbständigen sich dann zu Skulpturen, die in ihrer seltsamen Vereinzelung zur Metapher für das isolierte Subjekt selbst werden.

In den 1970er Jahren entwickelte La Rocca ihre performativen Serien mit Händen. Sie untersucht deren Ausdruckssprache, um diese zugleich in einen Sprachkontext zu setzen, indem sie die Hände mit Wörtern beschriftet und deren Konturen handschriftlich umrandet. Die Beschäftigung mit den Händen entspringt dem Wunsch, eine andere Sprache der Kommunikation zu erschaffen, in der der reale Körper, der gestische Ausdruck und die Schrift in ein eigentümlich montiertes Verhältnis zueinander treten.

La Rocca nimmt im Zusammenhang mit diesen Arbeiten explizit Bezug auf den weiblichen Lebenszusammenhang, der den Händen der Frauen nur bestimmte Tätigkeiten zugewiesen hatte. "Für die Frauen ist heute keine Zeit der Erklärungen", schreibt sie 1974 aus ihrer feministischen Perspektive, "sie haben zu viel zu tun, und dann hätten sie auch nur eine Sprache zur Verfügung, die ihnen fremd und feindlich ist. Sie sind von allem beraubt, bis auf die Sachen, die niemand beachtet, und das sind viele, auch wenn sie geordnet werden müssen. Die Hände zum Beispiel, zu langsam für weibliche Fähigkeiten, zu arm und zu unfähig, um das Hamstern fortzusetzen; es ist besser, mit Worten zu sticken...".

Zu Ketty La Roccas letzten Arbeiten gehören die "Riduzioni", in denen sie das alltägliche Foto "umarbeitet", sei es ein Familienfoto, ein Foto einer Installationsansicht einer Galerie, ein Foto, das sie selbst zeigt oder einen Politiker, ein Zeitungsfoto, eine millionenfach verkaufte Kunstpostkarte oder ein Filmplakat. Das Prinzip der "Riduzioni" besteht darin, das Ausgangsfoto durch eine oder mehrere Variationen seriell zu erweitern. Dies geschieht durch die grafische Schematisierung des Bildes, die nach verschiedenen Mustern erfolgt: Entweder "zeichnet" die Künstlerin mit ihre Handschrift die Konturen jener Formen nach, die ihr wichtig erscheinen, oder sie arbeitet durch Linien und schwarz markierte Flächen bestimmte Elemente heraus, die dann ebenso wie die Schrift eine inhaltliche Umdeutung bewirken.

La Rocca negiert die Differenz zwischen Tiefe und Fläche, ebenso wie die Hierarchie eines szenischen Ablaufs und versetzt das Bild in einen nervösen Schwebezustand. In den von ihr geschaffenen Zwischenräumen, in den Leerstellen öffnet sie einen poetischen Raum, der auch auf das Alltagsbild übergreift.

Die Ausstellung zeigt Schriftbilder, Objekte, Collagen, konzeptuelle Fotoarbeiten und ein Video ihrer Performances.

Ketty La Rocca ist 1938 in La Spezia geboren. Sie starb 1976 in Florenz.

Unterstützt durch das Italienische Kulturinstitut, Innsbruck
Dank an S.p.A. Egidio Galbani, Milano

 
 

Katalog
Ketty La Rocca
Hg. Silvia Eiblmayr, Galerie im Taxispalais
Beiträge von Silvia Eiblmayr, Ketty La Rocca, Lara Vinca Masini (dt./engl./ital.)
Galerie im Taxispalais, Innsbruck 2003
24 Seiten, 10 Abb.
Preis € 4,5
ISBN 3-9501195-2-3

 

Galerie im Taxispalais Maria-Theresien-Str. 45 A-6020 Innsbruck
Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr LeseRAUM: Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr
T +43/512/508-3172, -3173 F 508-3175 taxis.galerie@tirol.gv.at