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Ketty La Rocca
gehört zu den bedeutendsten VertreterInnen der konzeptuellen
Kunst in Italien. Die Arbeit der früh verstorbenen
Künstlerin umfasst die visuelle Poesie, die bildende Kunst und
die Performance. Die poetische, experimentelle, medienkritische
Untersuchung von La Rocca gilt der Sprache, den Bildern und stereotypen
Zeichen der Alltagswelt mit dem Ziel, die herrschende Politik der
Körper sichtbar zu machen.
La Roccas
früheste Arbeiten sind Collagen, mit denen sie 1964 begann.
Bereits in ihnen verdichtet sie in eindrucksvoller und
prägnanter Form ihre politische Kritik, mit der sie zugleich
ein Zeugnis von der Aufbruchstimmung dieser Zeit gibt. Zur Debatte
stand eine Gesellschaft, die zunehmend von Konsum und Medien dominiert
und konditioniert wurde. La Rocca übernahm den Ansatz der
Popart, die Bilder der Medien und der Waren in all ihrer Stereotypie
und Trivialität zuerst anzuerkennen, um die Kunst mit einem
von ihr bisher unbeachteten sozialen Feld zu konfrontieren. La Rocca
verschrieb sich in Vorwegnahme späterer kritischer Konzepte
jedoch nicht dem zumeist affirmativen Charakter der Popart. Sie brachte
in ihrer "Poesia Visiva" mit sarkastisch-poetischem Sprach- und
Bildwitz die Versprechungen, die die Werbung den Frauen machte, zum
Kippen. Bilder und Slogans der saturierten Konsumwelt oder der Kirche
montierte sie zusammen mit Bildern der so genannten Dritten Welt und
des Krieges, um die westliche Ignoranz gegenüber anderen
Kulturen oder gegenüber Opfern bloßzustellen.
Die Strategie, das Bild
oder sprachliche Zeichen in ihrer repräsentativen
Klischeehaftigkeit dingfest zu machen, um damit deren soziale
Konvention zu unterlaufen und in etwas anderes zu verwandeln, wandte La
Rocca auch beim einzelnen Buchstaben oder Schriftzeichen an. Ein "J"
oder ein Komma verselbständigen sich dann zu Skulpturen, die
in ihrer seltsamen Vereinzelung zur Metapher für das isolierte
Subjekt selbst werden.
In den 1970er Jahren
entwickelte La Rocca ihre performativen Serien mit Händen. Sie
untersucht deren Ausdruckssprache, um diese zugleich in einen
Sprachkontext zu setzen, indem sie die Hände mit
Wörtern beschriftet und deren Konturen handschriftlich
umrandet. Die Beschäftigung mit den Händen entspringt
dem Wunsch, eine andere Sprache der Kommunikation zu erschaffen, in der
der reale Körper, der gestische Ausdruck und die Schrift in
ein eigentümlich montiertes Verhältnis zueinander
treten.
La Rocca nimmt im
Zusammenhang mit diesen Arbeiten explizit Bezug auf den weiblichen
Lebenszusammenhang, der den Händen der Frauen nur bestimmte
Tätigkeiten zugewiesen hatte. "Für die Frauen ist
heute keine Zeit der Erklärungen", schreibt sie 1974 aus ihrer
feministischen Perspektive, "sie haben zu viel zu tun, und dann
hätten sie auch nur eine Sprache zur Verfügung, die
ihnen fremd und feindlich ist. Sie sind von allem beraubt, bis auf die
Sachen, die niemand beachtet, und das sind viele, auch wenn sie
geordnet werden müssen. Die Hände zum Beispiel, zu
langsam für weibliche Fähigkeiten, zu arm und zu
unfähig, um das Hamstern fortzusetzen; es ist besser, mit
Worten zu sticken...".
Zu Ketty La Roccas
letzten Arbeiten gehören die "Riduzioni", in denen sie das
alltägliche Foto "umarbeitet", sei es ein Familienfoto, ein
Foto einer Installationsansicht einer Galerie, ein Foto, das sie selbst
zeigt oder einen Politiker, ein Zeitungsfoto, eine millionenfach
verkaufte Kunstpostkarte oder ein Filmplakat. Das Prinzip der
"Riduzioni" besteht darin, das Ausgangsfoto durch eine oder mehrere
Variationen seriell zu erweitern. Dies geschieht durch die grafische
Schematisierung des Bildes, die nach verschiedenen Mustern erfolgt:
Entweder "zeichnet" die Künstlerin mit ihre Handschrift die
Konturen jener Formen nach, die ihr wichtig erscheinen, oder sie
arbeitet durch Linien und schwarz markierte Flächen bestimmte
Elemente heraus, die dann ebenso wie die Schrift eine inhaltliche
Umdeutung bewirken.
La Rocca negiert die
Differenz zwischen Tiefe und Fläche, ebenso wie die Hierarchie
eines szenischen Ablaufs und versetzt das Bild in einen
nervösen Schwebezustand. In den von ihr geschaffenen
Zwischenräumen, in den Leerstellen öffnet sie einen
poetischen Raum, der auch auf das Alltagsbild übergreift.
Die Ausstellung zeigt
Schriftbilder, Objekte, Collagen, konzeptuelle Fotoarbeiten und ein
Video ihrer Performances.
Ketty La Rocca
ist 1938 in La Spezia geboren. Sie starb 1976 in Florenz.
Unterstützt
durch das Italienische
Kulturinstitut, Innsbruck
Dank an S.p.A. Egidio Galbani, Milano
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