Ketty La Rocca
6. Juni – 10. August 2003
 
  Raum 1 und 2
 
 


"Via col vento" (Vom Winde verweht), 1975, Galleria Emi Fontana, Milano, e Archivio Michelangelo Vasta, Firenze
"Verbum, Parola, Mot, Word", 1967, Privatsammlung
Ketty La Rocca, Galerie im Taxispalais 2003, Raumansicht (Blick von Raum 2 in Raum 3)
Fotos: Rainer Iglar


Ketty La Rocca gehört zu den bedeutendsten VertreterInnen der konzeptuellen Kunst in Italien. Die Arbeit der früh verstorbenen Künstlerin umfasst die visuelle Poesie, die bildende Kunst und die Performance. Die poetische, experimentelle, medienkritische Untersuchung von La Rocca gilt der Sprache, den Bildern und stereotypen Zeichen der Alltagswelt.

Die frühesten Arbeiten von Ketty La Rocca sind Collagen, mit denen sie 1964 begann. Bereits hier in Blättern wie "Possiamo bruciarlo" (Wir können es abbrennen, 196465), "Come si vende?" (Wie verkauft es sich?, 196465) oder "Chi cosa dove" (Wer was wo, 1965) verdichtet sie in eindrucksvoller und prägnanter Form ihre politische Kritik, mit der sie zugleich ein Zeugnis von der Aufbruchstimmung dieser Zeit gibt.

Zur Debatte stand eine Gesellschaft, die zunehmend von Konsum und Medien dominiert und konditioniert wurde. La Rocca übernahm den Ansatz der Popart, die Bilder der Medien und der Waren in all ihrer Stereotypie und Trivialität zunächst anzuerkennen, um die Kunst mit einem von ihr bisher unbeachteten sozialen Feld zu konfrontieren. In Vorwegnahme späterer kritischer Konzepte verschrieb La Rocca sich jedoch nicht dem zumeist affirmativen Charakter der Popart. Vielmehr brachte sie in ihrer "Poesia Visiva" mit sarkastisch-poetischem Sprach- und Bildwitz die Versprechungen, die die Werbung den Frauen machte, zum Kippen etwa in "Vergine" (Jungfrau, 196465) und "Sana come il pane quotidiano" (Gesund wie das tägliche Brot, 1965). Bilder und Slogans der saturierten Konsumwelt oder der Kirche montierte sie zusammen mit Bildern des Krieges oder der so genannten Dritten Welt z. B. in "Le scimmie impareranno a parlare?" (Werden die Affen sprechen lernen?, 196465) , um die westliche Ignoranz gegenüber anderen Kulturen oder gegenüber Opfern bloßzustellen.

Die Strategie, das Bild oder sprachliche Zeichen in ihrer repräsentativen Klischeehaftigkeit dingfest zu machen, um damit deren soziale Konvention zu unterlaufen und in etwas anderes zu verwandeln, wandte La Rocca auch bei einzelnen Worten, Buchstaben und Schriftzeichen an, etwa in Verbum, Parola, Mot, Word (1967) oder Due punti (Zwei Punkte, 1969), oder auch in dem isolierten, freistehenden bzw. liegenden J von 1970 (siehe RAUM 3).

So schrieb Ketty La Rocca 1970: "Wir befinden uns immer dann in einem poetischen Diskurs, wenn die idealisierende bzw. Bedeutung gebende Funktion intensiviert wurde, losgelöst von den Zeichen der Alltagssprache. Daher ist es zulässig, das Produkt aller Operationen beziehungsweise bestimmter sprachlicher Konstruktionen als poetisch zu definieren, welche, indem sie gewohnte verbale Zeichen befrachten oder von den gewohnten Bahnen der sprachlichen Zeichen im Feld der üblichen Zusammenhänge abweichen oder indem sie sogar jedes Zeichen mit einer spezifischen Bedeutung übergehen und ein Denotat an dessen Stelle anbieten, eine Kommunikation, ein Mehr an Kommunikation ermöglichen."

Ketty La Roccas Ausgangspunkt in der Werkgruppe der "Riduzioni" (Reduktionen/ Bearbeitungen) sind alltägliche Fotos sei es ein Familienfoto, ein Zeitungsfoto, eine millionenfach verkaufte Kunstpostkarte, seien es Filmplakate wie in "Pandora" (1975) und "Via col vento" (Vom Winde verweht, ebenfalls 1975) oder Installationsansichten einer Galerie wie in "Figure in Galleria" (1974) oder "Cavellini e Warhol" (ebenfalls 1974, siehe RAUM 3). Das Prinzip der "Riduzioni" besteht darin, das Ausgangsfoto durch eine oder mehrere Variationen seriell zu erweitern. Dies geschieht durch die grafische Schematisierung des Bildes, die nach verschiedenen Mustern erfolgt: Entweder "zeichnet" die Künstlerin mit ihrer Handschrift die Konturen jener Formen nach, die ihr wichtig erscheinen, oder sie arbeitet durch Linien und schwarz markierte Flächen bestimmte Elemente heraus, die dann ebenso wie die Schrift eine inhaltliche Umdeutung bewirken.

1975 merkte La Rocca an: "Es gibt schon derart viele Dinge zu sehen, zu verstehen, zu lesen, neu zu erleben. Ja, von Zeit zu Zeit neu zu erleben, jeder auf seine Art. Ich nehme Bilder, die schon von vielen und seit sehr langer Zeit gesehen wurden, die durch die allgemeinen Beschreibungen fad geworden sind. Ich erlebe sie neu mit all den Stereotypen der Erkenntnis, die man mir angehängt hat. Bis zu dem Moment, wo sie etwas Anderes werden, wo sie "dieses Bild" werden, außerhalb und über jegliche Gesamtinterpretation hinaus."

 
Galerie im Taxispalais Maria-Theresien-Str. 45 A-6020 Innsbruck
Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr LeseRAUM: Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr
T +43/512/508-3172, -3173 F 508-3175 taxis.galerie@tirol.gv.at