Martin Gostner
Seitlich aus der Requisite kommend / Coming Out Of The Props Sideways
1. Februar – 24. März 2002
 
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  Eröffnung
Donnerstag, 21. Jänner 2002, 19 Uhr

Eröffnung durch Landesrat Günther Platter, Kulturreferent des Landes Tirol
Zur Ausstellung spricht Matthias Herrmann, Präsident der Wiener Secession
 
 

Martin Gostner zeigt in dieser umfassenden Personale neuere und ganz neue Arbeiten, die alle erstmalig in Innsbruck zu sehen sind. Vier Installationen wurden eigens für die Räume der Galerie im Taxispalais konzipiert. Zwei weitere Arbeiten aus jüngerer Zeit wurden von ihm spezifisch für den Ort weiterentwickelt oder transformiert.

Mit dem Titel "Seitlich aus der Requisite kommend" nimmt Martin Gostner eine Metapher aus dem Bereich des Theaters bzw. des Films auf, die für seine künstlerische Arbeit steht und zugleich seine eigene Position beschreibt, die sich jedoch in einem erweiterten Sinn auch auf den Betrachter/die Betrachterin ganz allgemein bezieht. Im Kontext seiner elaborierten und symbolisch aufgeladenen Szenarien sieht sich Gostner als Protagonist eines "Stückes", in dem er, wie er sagt, sich "in der Symbiose von Darsteller, Autor, Requisiteur, Regisseur, Produzent und sogar als sein eigener Rezensent versucht". In diesen unterschiedlichen Rollen und Funktionen konfrontiert er sich mit verschiedenen Facetten seiner Person, seines (künstlerischen) Selbst, das er reflektierend und kritisch herausfordert: "Täglich begibt man sich in die Maske, versucht seine Zeilen für heute zu beherrschen, als Regisseur die anderen Darsteller rechtzeitig mit dem richtigen Text auf das Set zu bekommen, um dann im richtigen Moment, seitlich aus der Requisite kommend, seinen Auftritt zu haben."

Gostner nennt die Abfolge der Installationen, die er für die Galerie im Taxispalais konzipiert hat, "exemplarische Aufzüge". Diese "Aufzüge", die strukturelle Ähnlichkeiten mit Traumsequenzen haben, versetzen das Publikum von Raum zu Raum in neue Situationen, die in ihrer materiell-inhaltlichen Verdichtung komplexe Themen oder Geschichten abhandeln.

In "Was du suchst, sucht nach dir" führt der Weg an einer Wand aus gebrauchten Schränken vorbei, deren Türen offen stehen. Teilweise sind diese Schränke innen mit Lampen bestückt, die ihr Licht nach außen werfen. Einige haben keine Beleuchtung, aber verglaste Rückwände, die den Blick auf ein Großvideo freigeben, das auf die parallel zur Schrankwand befindliche Stirnwand des Raumes projiziert wird. Dieses Video, das in seinem oberen Bereich durchgängig sichtbar ist, zeigt eine Tsunami, eine mit bedrohlicher Gewalt in den Raum stürzende gigantische seismische Flutwelle. Gostner erfasst hier exakt jenes Erinnerungsmoment einer primären Erfahrung, bei der Neugier und die gleichzeitige Suche nach Schutz in Faszination und Schrecken umschlagen.

Im anschließenden Raum führt die Arbeit "zu breit, zu weit" das Thema weiter: Ein Fragment einer Luftmatratze liegt wie angespültes Strandgut in einer Lacke aus Silikon von einem Gespinst aus Heißkleber teilweise eingesponnen, ein "Requisit des Scheiterns" (Gostner), dessen Protagonist im Off verbleibt. "zu breit, zu weit" bildet den passagenartigen Übergang zum nächsten Raum, in dem auf das Szenario des unauslotbaren Schreckens die Inszenierung des konkret-vulgären Schreckens des Alltags folgt.

In der Plakat-Fotoarbeit "Promenade des Autrichiens" und dem Video "Über'm Pfandl" setzt Gostner eine real-fiktive, politische Revue durch die Nachkriegsgeschichte Österreichs ins Bild, die ihre auf ein aktuelles politisches Milieu bezogene Zuspitzung in der Vandalisierung eines ärmlichen Zimmers (eines "Ausländers"?) findet, das über dem (erfundenen) Wiener Gasthaus "Kupferpfandl" liegt. Für dieses Gasthaus rekonstruierte Gostner Plakate für eine Reihe von Veranstaltungen, die dort seit 1945 stattgefunden haben könnten. Die Plakate bringen die historischen Marksteine der 2. Republik auf den Punkt, transportieren österreichische Nachkriegsstimmung, nationale Sentimentalitäten und Ressentiments, parteipolitische, ideologische und zeitgeistige Bekenntnisse in Wort und Schrift in ihre jeweils lapidare und scheinbar glaubwürdige Form, deren geschichtliche Präzision und gleichzeitiger Witz es fertig bringen, "heimatliche" Abgründe aufzureissen. Es geht um "die Rekapitulierung der Vergangenheit, um nicht vor der Gegenwart kapitulieren zu müssen" (Gostner).

In "Ansichten der Gegend um Clausewitz" wird die Bühne der Konflikte auf die abstrakte Ebene der strategischen Planung verschoben. Alle vier Wände des Raumes bedecken Wandzeichnungen, die Gostner mit Kohle aufgetragen hat. Es sind Planskizzen von historischen Schlachten, ästhetische Manifestationen und zugleich Modelle, die für den Krieg als spezifische Form der Organisation von politischen Interessensgegensätzen und Gewalt entwickelt wurden.

Die Arbeit "dicke Aura Heimat" komprimiert ein Stück typisch österreichischer gastronomischer Einrichtungskultur, mit dem ebenso typischen Gericht, das darauf verzehrt wird: Ein einfacher Wirtshaustisch und zwei dazugehörige Bänke wurden von Gostner mit Panier, der gebackenen Kruste aus Mehl, Eiern und Bröseln überzogen, für die das Wiener Schnitzel berühmt ist.

Im Untergeschoß der Galerie, in der glasüberdeckten Halle und dem Foyer, installiert Gostner die Arbeit "Der große Server", wo er auf das Material Watte zurückgreift, dem er in seinem Werk spezifische Bedeutungen zuschreibt. Watte repräsentiert für ihn das "Weiche", "Formbare", das er mit dem "historisch Unpräzisen der offiziellen Geschichtsschreibung wie auch der persönlichen Erinnerung" verbindet. Die den Boden bedeckende Wattefläche, die über Stege teilweise begangen werden kann, fungiert als imaginäres Reservoir der Erinnerung ebenso wie der Formen, die virtuell in dem Material enthalten sind. Das sinnliche und assoziativ hoch besetzte Material Watte bildet für Gostner ein "morphologisches Alphabet", das seinen "Vorrat an Werkzeugen" – in sprachlicher wie auch formaler Hinsicht – enthält.



Entwurf für "Der Große Server"

Entwurf für "Was du suchst, sucht nach dir"
 
 

Martin Gostner
* 1957 in Innsbruck.
1979  1983 Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien.
Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen in ganz Europa, Projekte in den USA.
Lebt und arbeitet in Innsbruck.

 
 

Katalogpräsentation
Martin Prinzhorn
Donnerstag, 21. März 2002, 19 Uhr

Katalog
Martin Gostner
Seitlich aus der Requisite kommend / Coming Out Of The Props Sideways

Hg. Silvia Eiblmayr, Galerie im Taxispalais
Beiträge von Silvia Eiblmayr, Udo Kittelmann, Martin Prinzhorn (dt./engl.)
Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2002
64 Seiten, 44 Abb.
Preis € 12,80
ISBN 3-7757-9106-X

 
  Zeitschriftenpräsentation
frieze 
contemporary art and culture
Donnerstag, 14. März 2002, 19 Uhr

Das Kunstmagazin frieze wurde 1991 in London gegründet. In der Null-Nummer erschien ein Interview mit Damien Hirst, und seitdem hat frieze sich den Ruf bewahrt, sehr früh auf wichtige junge KünstlerInnen aufmerksam zu machen. Sein wegweisendes Design hat zahlreiche Nachahmer gefunden. Zeitgenössische Kunstproduktion wird im weiteren Zusammenhang gesehen: so finden sich etwa in einem thematisch am Thema Horror orientierten Heft Features über junge KünstlerInnen wie Eva Rothschild und Bojan Sarcevic neben Essays zu Schlock-Regisseur Dario Argento und Edgar Allen Poes Obsession mit Interieurs. Renommierte Autoren von Peter Schijldal über Jennifer Higgie bis Diedrich Diederichsen stehen für intelligente Texte ohne akademische Leerformeln. Seit 1998 hat die Redaktion neben einem New Yorker auch ein Berliner Büro, das den deutschsprachigen Raum betreut. Seitdem finden sich verstärkt auch Themen aus Österreich: So wurden in den letzten Jahren etwa Künstler wie Erwin Wurm, Anna Jermolewa, Gelatin, Florian Pumhösl oder Dorit Margreiter einer internationalen LeserInnenschaft vorgestellt; es erschien auch ein Artikel zur Widerstandsbewegung gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ.

Jörg Heiser (*1968) ist Redakteur des Kunstmagazins frieze (London) und schreibt über zeitgenössische Kunst und Popmusik u.a. in Süddeutsche Zeitung, Züricher Tagesanzeiger, Parkett. Er lebt und arbeitet in Berlin.

 
Galerie im Taxispalais Maria-Theresien-Str. 45 A-6020 Innsbruck
Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr LeseRAUM: Di-Sa 11-18, Do 11-20 Uhr
T +43/512/508-3172, -3173 F 508-3175 taxis.galerie@tirol.gv.at