|
Martin
Gostner zeigt in dieser
umfassenden Personale neuere und ganz neue Arbeiten, die alle erstmalig
in Innsbruck zu sehen sind. Vier Installationen wurden eigens
für die Räume der Galerie im Taxispalais konzipiert.
Zwei weitere Arbeiten aus jüngerer Zeit wurden von ihm
spezifisch für den Ort weiterentwickelt oder transformiert.
Mit dem Titel "Seitlich
aus der Requisite kommend" nimmt Martin Gostner eine Metapher aus dem
Bereich des Theaters bzw. des Films auf, die für seine
künstlerische Arbeit steht und zugleich seine eigene Position
beschreibt, die sich jedoch in einem erweiterten Sinn auch auf den
Betrachter/die Betrachterin ganz allgemein bezieht. Im Kontext seiner
elaborierten und symbolisch aufgeladenen Szenarien sieht sich Gostner
als Protagonist eines "Stückes", in dem er, wie er sagt, sich
"in der Symbiose von Darsteller, Autor, Requisiteur, Regisseur,
Produzent und sogar als sein eigener Rezensent versucht". In diesen
unterschiedlichen Rollen und Funktionen konfrontiert er sich mit
verschiedenen Facetten seiner Person, seines (künstlerischen)
Selbst, das er reflektierend und kritisch herausfordert:
"Täglich begibt man sich in die Maske, versucht seine Zeilen
für heute zu beherrschen, als Regisseur die anderen Darsteller
rechtzeitig mit dem richtigen Text auf das Set zu bekommen, um dann im
richtigen Moment, seitlich aus der Requisite kommend, seinen Auftritt
zu haben."
Gostner nennt die
Abfolge der Installationen, die er für die Galerie im
Taxispalais konzipiert hat, "exemplarische Aufzüge". Diese
"Aufzüge", die strukturelle Ähnlichkeiten mit
Traumsequenzen haben, versetzen das Publikum von Raum zu Raum in neue
Situationen, die in ihrer materiell-inhaltlichen Verdichtung komplexe
Themen oder Geschichten abhandeln.
In "Was du suchst, sucht
nach dir" führt der Weg an einer Wand aus gebrauchten
Schränken vorbei, deren Türen offen stehen. Teilweise
sind diese Schränke innen mit Lampen bestückt, die
ihr Licht nach außen werfen. Einige haben keine Beleuchtung,
aber verglaste Rückwände, die den Blick auf ein
Großvideo freigeben, das auf die parallel zur Schrankwand
befindliche Stirnwand des Raumes projiziert wird. Dieses Video, das in
seinem oberen Bereich durchgängig sichtbar ist, zeigt eine
Tsunami, eine mit bedrohlicher Gewalt in den Raum stürzende
gigantische seismische Flutwelle. Gostner erfasst hier exakt jenes
Erinnerungsmoment einer primären Erfahrung, bei der Neugier
und die gleichzeitige Suche nach Schutz in Faszination und Schrecken
umschlagen.
Im
anschließenden Raum führt die Arbeit "zu breit, zu
weit" das Thema weiter: Ein Fragment einer Luftmatratze liegt wie
angespültes Strandgut in einer Lacke aus Silikon von einem
Gespinst aus Heißkleber teilweise eingesponnen, ein "Requisit
des Scheiterns" (Gostner), dessen Protagonist im Off verbleibt. "zu
breit, zu weit" bildet den passagenartigen Übergang zum
nächsten Raum, in dem auf das Szenario des unauslotbaren
Schreckens die Inszenierung des konkret-vulgären Schreckens
des Alltags folgt.
In der Plakat-Fotoarbeit
"Promenade des Autrichiens" und dem Video "Über'm Pfandl"
setzt Gostner eine real-fiktive, politische Revue durch die
Nachkriegsgeschichte Österreichs ins Bild, die ihre auf ein
aktuelles politisches Milieu bezogene Zuspitzung in der Vandalisierung
eines ärmlichen Zimmers (eines "Ausländers"?) findet,
das über dem (erfundenen) Wiener Gasthaus "Kupferpfandl"
liegt. Für dieses Gasthaus rekonstruierte Gostner Plakate
für eine Reihe von Veranstaltungen, die dort seit 1945
stattgefunden haben könnten. Die Plakate bringen die
historischen Marksteine der 2. Republik auf den Punkt, transportieren
österreichische Nachkriegsstimmung, nationale
Sentimentalitäten und Ressentiments, parteipolitische,
ideologische und zeitgeistige Bekenntnisse in Wort und Schrift in ihre
jeweils lapidare und scheinbar glaubwürdige Form, deren
geschichtliche Präzision und gleichzeitiger Witz es fertig
bringen, "heimatliche" Abgründe aufzureissen. Es geht um "die
Rekapitulierung der Vergangenheit, um nicht vor der Gegenwart
kapitulieren zu müssen" (Gostner).
In "Ansichten der Gegend
um Clausewitz" wird die Bühne der Konflikte auf die abstrakte
Ebene der strategischen Planung verschoben. Alle vier Wände
des Raumes bedecken Wandzeichnungen, die Gostner mit Kohle aufgetragen
hat. Es sind Planskizzen von historischen Schlachten,
ästhetische Manifestationen und zugleich Modelle, die
für den Krieg als spezifische Form der Organisation von
politischen Interessensgegensätzen und Gewalt entwickelt
wurden.
Die Arbeit "dicke Aura
Heimat" komprimiert ein Stück typisch
österreichischer gastronomischer Einrichtungskultur, mit dem
ebenso typischen Gericht, das darauf verzehrt wird: Ein einfacher
Wirtshaustisch und zwei dazugehörige Bänke wurden von
Gostner mit Panier, der gebackenen Kruste aus Mehl, Eiern und
Bröseln überzogen, für die das Wiener
Schnitzel berühmt ist.
Im
Untergeschoß der Galerie, in der glasüberdeckten
Halle und dem Foyer, installiert Gostner die Arbeit "Der
große Server", wo er auf das Material Watte
zurückgreift, dem er in seinem Werk spezifische Bedeutungen
zuschreibt. Watte repräsentiert für ihn das "Weiche",
"Formbare", das er mit dem "historisch Unpräzisen der
offiziellen Geschichtsschreibung wie auch der persönlichen
Erinnerung" verbindet. Die den Boden bedeckende Wattefläche,
die über Stege teilweise begangen werden kann, fungiert als
imaginäres Reservoir der Erinnerung ebenso wie der Formen, die
virtuell in dem Material enthalten sind. Das sinnliche und assoziativ
hoch besetzte Material Watte bildet für Gostner ein
"morphologisches Alphabet", das seinen "Vorrat an Werkzeugen" – in
sprachlicher wie auch formaler Hinsicht – enthält.
|
|
Entwurf für "Der Große Server" |
Entwurf für "Was du suchst, sucht nach dir"
|
|