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Die Ausstellung "Gegeben
sind... Konstruktion und Situation" bildet den Auftakt der
fünfteiligen Ausstellungsreihe Performative
Installation, eine Initiative des Siemens Arts Program in
Kooperation mit der Galerie im Taxispalais in Innsbruck, dem Museum
Ludwig in Köln, dem Museum für Gegenwartskunst
Siegen, der Secession, Wien, und der Galerie für
Zeitgenössische Kunst Leipzig. Alle Stationen behandeln das
gemeinsame Thema unter jeweils verschiedenen Gesichtspunkten:
Konstruktion & Situation, Erzählung, Kommunikation,
Körper & Ökonomie sowie Architektur.
Im Mittelpunkt der
Ausstellung "Gegeben sind... Konstruktion und
Situation" stehen konstruierte Situationen, in denen Wirklichkeit
"inszeniert" wird. Bereits die Titel der künstlerischen
Arbeiten sprechen direkt oder vermittelt das an, was zu den
strukturellen Gegebenheiten ihrer Konzeption gehört: der Bezug
auf einen Raum – einen Ort –, der in der Ausstellung als reales
Szenario und zugleich als symbolisches Konstrukt funktioniert, um das
Publikum in ständiger Verschränkung zwischen Fiktivem
und Realem zu verorten. In diesen "konstruierten Situationen" werden
die BetrachterInnen gezielt auf eine interaktive und zugleich reflexive
Ebene versetzt, um sich in filmischen, psychischen, narrativen,
virtuellen und anderen Szenarios wieder zu finden, deren
Bewertungsparameter sich ständig verschieben. Die inszenierten
Räume stehen in ganz konkreter Beziehung zu einem vorgegebenen
gesellschaftlichen Sachverhalt sowie zu privaten wie
öffentlichen Alltagserfahrungen mit unterschiedlichen
politischen und kulturellen Kontexten.
Bei Emmanuelle
Antilles "Training Lounge" (1997) ist es
ein Büroraum, in dessen "Normalität" tagtraumartig
eine andere Realität eindringt, über Video
eingespielte Sequenzen aus einem Wohnraum einer verstörten
jungen Frau. Die Protagonistin der Training Lounge von Antille wirkt
gerade dadurch so irritierend, weil ihr Film-Raum – in dem sie
scheinbar ganz privat und unbeobachtet mit sich beschäftigt
ist – in den realen Raum erweitert wird. Das Telefon, das dort auf dem
Schreibtisch klingelt, hat jedoch keinen Adressaten; es kann die Frau
im Film nicht erreichen und macht dem/der Einzelnen im Publikum klar,
dass er/sie ebenfalls ausgeschlossen, isoliert ist – eine Paraphrase
für eine Versuchsanordnung in einer kontrollierten
Mediengesellschaft.
Janet Cardiff
& George Bures Miller entwickelten für "The
Muriel Lake Incident" (1999) ein
Kinotheater in verkleinertem Maßstab, in welches das Publikum
(maximal drei Personen gleichzeitig) hineinsehen kann. Der bild- und
tontechnische Illusionismus dieses Kinos ist so perfekt, dass die mit
Kopfhörern ausgestatteten BetrachterInnen an der eigenen
Wahrnehmung zu zweifeln beginnen.
Der Bruch mit dem
Maßstab bei dem Miniaturkino von Cardiff & Miller
verwandelt die Menschen, die dieses Kino besuchen, in Swift'sche
Riesen, die sich an der Nahtstelle zwischen Illusions- und Realraum
wieder finden. Es gibt hier keine Geborgenheit des Kinosaales sondern
ein ausgesetzt Sein, sowohl gegenüber dem Außen, in
der Position des Gesehen-Werdens als auch gegenüber dem Innen,
in der Position des Beobachters. Genau hier etabliert sich die nicht
auslotbare Grenze zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen,
deren Bereiche sich ineinander schieben und jede Annäherung
wie auch Distanzierung schwierig machen.
Ayşe
Erkmen
bezieht sich in ihrer Installation "Stoned" (2003) auf die Architektur
des Ausstellungsraumes, deren fragilsten Teil sie aufgreift,
nämlich das transparente Glasdach der Halle im Untergeschoss,
um gerade hier das Unerwartete, Bedrohliche zu inszenieren: Ein
Felsbrocken, den Erkmen in einem konstruktiv-poetischen Kraftakt wie
ein Damoklesschwert über dem Glasdach schweben lässt,
verwandelt den Ausstellungsraum in einen scheinbar
gefährlichen Ort. Sie vollzieht damit die
Kurzschließung der architektonischen und kulturellen
Geschichte Innsbrucks mit der Tiroler Gebirgslandschaft, deren
Topografie, deren Bodenschätze wie Silber und Salz und deren
spätere touristische Nutzung den ökonomischen und
kulturellen Reichtum Tirols mit hervorgebracht haben.
Während das
Narrative bei diesen drei Arbeiten mit Fiktivem verknüpft ist,
erzählen Maja Bajević und Emanuel
Licha eine reale Geschichte. In der Videoinstallation "Green,
Green Grass of Home" (2002)
verstricken sie das Publikum in ihre emotionale Erinnerungsarbeit, die
sich wie ein Nachbild des Kriegsgeschehens in Sarajevo in den
Köpfen des Publikums festzusetzen beginnt: Bajević steht
alleine inmitten einer grünen Wiese und erzählt. Sie
rekonstruiert ihre durch den Krieg in Sarajevo verloren gegangene
Wohnung, die sie nie mehr betreten konnte. Licha zeichnete dann ihrer
Beschreibung folgend einen Grundriss und baute ein Modell, in dem beide
stehend gerade Platz finden.
Das "Studio" (2000) von Karl-Heinz
Klopf/Sigrid Kurz und das Projekt von Andreas
Fogarasi mit dem Arbeitstitel "Innsbruck, Tyrol, Austria"
(2003) haben ihre Referenzpunkte in institutionellen Feldern. Das
"Studio" ist eine weiße Box, in der über den
Computer die filmisch animierte Rekonstruktion des Wiener Ateliers von
Klopf/Kurz als wandgroße Projektion zu sehen ist. Die losen
Koordinaten dieses Studios verändern sich ständig wie
in einem Videospiel, während sich zugleich die
Außenwelt über anonyme, urbane Fragen abhandelnde
Botschaften aus dem Internet einschreibt, eine Allegorie für
die instabile Verortung in der globalisierten, elektronisch vernetzten
Welt.
Andreas Fogarasi
beschäftigt sich mit den institutionellen Vorgaben eines
geografischen Ortes im sowohl inhaltlichen als auch materiellen,
objektbezogenen Sinn. Seine Reflexion auf kulturpolitische und
ästhetische Vorgaben im Ausstellungsbetrieb oder in der
Tourismuswerbung findet ihren Niederschlag im Setting seines
Ausstellungsraumes selbst, der diese Vorgaben spiegelt und zugleich
auch transformiert. Mit der Übernahme von Displayformen aus
der Wirtschaft verweist er auf die Tatsache, dass auch der
Ausstellungsbetrieb ein Teil der Kulturindustrie ist. Fogarasis Kritik
gilt nicht zuletzt der "ambient art", die von der Politik
erwünscht und auf die Unterhaltung des Publikums ausgerichtet,
touristische Kategorien auch in den Ausstellungsraum zu
überführen sucht.
Katalog
Performative Installation
Hg. Angelika Nollert
Beiträge von Silvia Eiblmayr, Barbara Engelbach, Kasper
König, Christine Litz, Angelika Nollert, Michael
Roßnagl, Eva Maria Stadler, Barbara Steiner (dt./engl.)
Snoeck Verlagsgesellschaft mbH, Köln 2003
256 Seiten, 184 Abb.
Preis € 19,80
ISBN 3-936859-05-1
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Filmvorführung
Guy Debord,
Die Gesellschaft des Spektakels, 1973
Dienstag, 7. Oktober 2003, 19 Uhr
Zeitschriftenpräsentation
Andreas Fogarasi und
Christoph Laimer, dérive – Zeitschrift für
Stadtforschung
Freitag 17. Oktober 2003, 19 Uhr
dérive
versteht sich als interdisziplinäre Plattform zum Thema
Stadtforschung. Die behandelten Felder reichen von Architektur, Stadt-
und Landschaftsplanung, Raumordnung und Bildender Kunst bis zu
Geographie, Soziologie, Politik- und Medienwissenschaften und
Philosophie. Thematisiert werden globale Problemstellungen, die im
lokalen Rahmen behandelt werden und Aufschlüsse über
die gegenwärtige Stadtentwicklung geben sollen.
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