|
|
|
|
"Dentro de mim", 2000
"Espaço Espesso", 1982, Dr. João Rendeiro
Collection, Lisboa
"Corte Secreto", 1981, Centro de Arte Moderna José
de Azeredo Perdigão/Fundação Calouste
Gulbenkian
Fotos: Rainer Iglar
|
In den achtziger Jahren begann
Helena Almeida den Körper auszudehnen, ihn mittels Inszenierungen
mit schwarzem Stoff und der Dimension der Fotografien zu monumentalisieren.
Dies geschieht in einem zunehmend verunklärten Raum, in dem
die Differenz zwischen Fläche und Tiefe auf dem Spiel steht: Negro Exterior (Schwarzes Außen, 1981), Espaço
Espesso (Dichter Raum, 1982) und Corte Secreto (Geheimer
Einschnitt, 1981).
In ihren neuesten Arbeiten, ebenfalls
in größeren Formaten, lotet Almeida immer wieder andere
Aspekte ihres Grundthemas aus. Dentro de mim (Innerhalb
von mir, 2000) bildet im wörtlichen Sinn eine Reflexion auf
den umgebenden (Atelier-)Raum. Die Serie zeigt in Varianten die
nackten Füße und Unterschenkel der Künstlerin, die
liegend oder auf einem Bein stehend für die Kamera posiert,
während an ihren Fußsohlen kleine rechteckige Spiegel
angebracht sind; diese fangen in minimalen Fragmenten den umgebenden
Raum ein, um dadurch die körperliche Realität des Fußes
scheinbar aufzuheben.
Bei der Serie Saida Negra
(Schwarzer Ausgang, 1995) konzentriert Almeida die Aufmerksamkeit
auf das Material der Malerei selbst wie die Pigmente und den Bildträger.
Diesen bildet hier der Zeichentisch, auf dem in unterschiedlichen
Stellungen die Arme der Künstlerin aufliegen. Almeida eröffnet
einen unbestimmten, imaginären Raum, der durch den Betrachter/die
Betrachterin virtuell ergänzt oder verändert wird.
Die Arbeiten Almeidas sind strukturiert
wie ein poetischer Text. Sie haben ein vieldeutiges Thema, das offen
bleibt, sie sind rhythmisch und formal widersprüchlich, sie
sind sinnlich und tiefsinnig, und sie haben zugleich einen feinen
Witz, der mit der Oberfläche oder den Schatten spielt.
In ihnen nähern wir uns jener
Vorstellung vom Text, wie sie Roland Barthes in Die Lust am Text
(1974) so formuliert hat: "Manche wollen einen Text (eine Kunst,
eine Malerei) ohne Schatten, der getrennt ist von der ‚herrschenden
Ideologie'; aber das wäre ein Text ohne Fruchtbarkeit, ohne
Produktivität, ein steriler Text (siehe den Mythos von der
Frau ohne Schatten). Der Text braucht seinen Schatten: dieser Schatten,
das ist ein bißchen Ideologie, ein bißchen
Darstellung, ein bißchen Subjekt: notwendige Geister,
Luftblasen, Streifen, Wolken: die Subversion muß ihr eigenes
Halbdunkel hervorbringen."
"Ich bin noch nie ganz mit
der Leinwand, dem Papier oder einem sonstigen Bildträger zurechtgekommen.
Ich glaube, das, was mich dazu gebracht hat, Volumina, Fäden
und andere Formen zu verwenden, um aus diesen Elementen hervorzutreten,
war meine tiefe Unzufriedenheit mit den Fragen des Raumes. Diese
Fragen sind zu einer Konstante meiner Arbeit geworden –
indem ich mich ihnen entweder stelle oder sie zurückweise.
Ich glaube, dass ich nun sagen kann, dass ich Bilder male und Zeichnungen
zeichne. Es ist nicht eine Frage des Ausstellens, sondern eine des
Bloßlegens; es geht auch darum, die Ideologie und den Charakter
der 'Kunst' auf eine viel profundere Weise vermitteln
zu können, sie zu akzeptieren und daher auch imstande zu sein,
sie zu verleugnen.
Durch die Fotografien innerhalb der Zeichnungen kommt, glaube ich,
dieselbe Verleugnung auf verschiedene Arten zum Tragen. Was ich hier
bloßlege, sind nicht die 'Abdrücke des Künstlers',
sondern eher die Repräsentation und die Verleugnung dieser Spuren.
Diese Verleugnung bedeutet die Wiederentdeckung eines anderen Raumes,
während man zugleich in eine weitere poetische Falle tritt. Dies
passiert, wenn ich mich als 'Künstlerin' in den reellen Raum und
den Betrachter in einen virtuellen Raum stelle. Er bzw. sie tauscht mit
dem Bildträger Platz und wird zu einem imaginären Raum.
Zu etwas Unwirklichem werden. Den Anreiz zum Besitz von intimen
Freuden geben.
Zur Ruhe kommen wie in einer Zeichnung. Das warme Innere einer gekrümmten
Linie erleben. Den Frieden einer bewohnten Zeichnung wieder finden."
Helena Almeida, 1976
|