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"Tela Habitada", 1976, Centro
de Arte Moderna José de Azeredo
Perdigão / Fundação Calouste Gulbenkian
Foto: Rainer Iglar
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In ihrer Fotoarbeit Tela Habitada
(Bewohnte Leinwand, 1976) inszeniert Helena Almeida in der ihr eigenen
subtilen Form das komplexe Verhältnis zwischen Frau und Bild.
Die sechzehnteilige Fotoserie zeigt jeweils ein "Bild",
einen Keilrahmen, der mit einer leeren "Leinwand", einem
dünnen, transparenten Stoff bespannt ist. Ab dem zweiten Bild
erscheint die Künstlerin hinter dieser Leinwand, um dann, einer
Filmsequenz vergleichbar, einen minimalen Bewegungs- und Handlungsablauf
vorzuführen: Die Frau hinter der Leinwand bereitet scheinbar
einen Ausbruchsversuch durch die vordere Bildebene vor, der jedoch
so endet, dass sie wiederum in das Bild verschwindet. Am Schluss
präsentiert sich die leere Fläche der Leinwand wieder
so makellos wie am Anfang.
Das "Bild" erscheint bei Helena Almeida
für die Frau als ein unverzichtbarer Ort, den sie imaginär
"bewohnt" und der ihr zugleich zum Ort der Einschließung,
der Unterdrückung, wird, dem sie entrinnen möchte. Almeida
inszeniert das Bild als scheinbare Voraussetzung für die Identität
der Frau, das sie in einem Spiel von Anwesenheit und Abwesenheit
bejaht und zugleich auch verneint.
Der Begriff des "Bewohnten", "bewohnte
Zeichnung", "bewohnte Malerei" oder eben "bewohnte
Leinwand", den Helena Almeida für ihre konzeptuelle Auseinandersetzung
mit der Linie, dem Bild, dem Raum und dem Körper geprägt
hat, trifft sehr genau die Widersprüchlichkeit, die strukturelle
Uneindeutigkeit, die hier im Spiel ist.
Almeidas Anfänge liegen in der Malerei,
die sie zu einer Abhandlung über das Bild selbst führte:
Sie begann dessen materielle Bestandteile wie die Leinwand, den
Keilrahmen, die Farbe zum Gegenstand ihrer Untersuchung zu machen
und zugleich auch dessen strukturelle (neuzeitliche) Funktion, nämlich
ein "Fenster in die Welt" zu bilden, zu hinterfragen.
Das führte sie dazu, dieses Bild skulptural zu erweitern, es
in den Raum auszudehnen, um es dann mittels Fotografie in unterschiedliche
performative Szenarios zu verwandeln.
Almeida, die sich selbst als ihr eigenes "Modell"
versteht, untersucht mit den Mitteln der Zeichnung, der Objektkunst,
der Malerei und der Sprache die Grenzen des Bildes, indem sie die
subtilen Übergänge vom Gegenstand zu dessen Abbild, von
einer Bildebene zur anderen bearbeitet.
Ihre konzeptuellen Ansätze für ihre
künstlerische Auseinandersetzung sind vielfältig, poetisch,
erfinderisch und zugleich von höchster bildnerischer Genauigkeit
gegenüber den strukturellen Gegebenheiten. In feinster Differenzierung
verwandelt sich die Linie eines fotografierten Fadens im Bild, der
hier auch seinen Schatten wirft, in eine Linie auf der Oberfläche
des Bildes – inszeniert, als
hätte die im Foto präsente Künstlerin diese von innen
nach außen gezeichnet (Desenho Habitado / Bewohnte
Zeichnung, 1975).
Die Realitäten des (fotografischen) Illusionsraums
und jene der konkreten Oberfläche, des Bildträgers und
seines Materials, prallen hier aufeinander; sie erzeugen einen Widerspruch,
eine Form von rätselhafter, unentrinnbarer Verschränkung.
Denselben Effekt hat die blaue Farbe, die Almeida auf die Oberfläche
einer Fotografie setzt, um damit ihr Gesicht zu verdecken mit dem
Effekt, ihre Präsenz im Bild zugleich hervor zu heben und zu
verleugnen (Pintura Habitada / Bewohnte Malerei, 1975).
Bei Ouve Me (Höre mich, 1979
) setzt Almeida die Sprache ein, um diesen Widerspruch zum Ausdruck
zu bringen. Die auf ihre Lippen geschriebene Schrift hat zugleich
den Effekt einer Naht, die den Mund derjenigen, die gehört
werden will, potentiell verschließt, was aber zugleich durch
das Sprechen widerrufen wird.
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