Helena Almeida
6. Juni – 10. August 2003
 
  Raum 4
 
 

"Tela Habitada", 1976, Centro de Arte Moderna José de Azeredo
Perdigão / Fundação Calouste Gulbenkian
Foto: Rainer Iglar

In ihrer Fotoarbeit Tela Habitada (Bewohnte Leinwand, 1976) inszeniert Helena Almeida in der ihr eigenen subtilen Form das komplexe Verhältnis zwischen Frau und Bild. Die sechzehnteilige Fotoserie zeigt jeweils ein "Bild", einen Keilrahmen, der mit einer leeren "Leinwand", einem dünnen, transparenten Stoff bespannt ist. Ab dem zweiten Bild erscheint die Künstlerin hinter dieser Leinwand, um dann, einer Filmsequenz vergleichbar, einen minimalen Bewegungs- und Handlungsablauf vorzuführen: Die Frau hinter der Leinwand bereitet scheinbar einen Ausbruchsversuch durch die vordere Bildebene vor, der jedoch so endet, dass sie wiederum in das Bild verschwindet. Am Schluss präsentiert sich die leere Fläche der Leinwand wieder so makellos wie am Anfang.

Das "Bild" erscheint bei Helena Almeida für die Frau als ein unverzichtbarer Ort, den sie imaginär "bewohnt" und der ihr zugleich zum Ort der Einschließung, der Unterdrückung, wird, dem sie entrinnen möchte. Almeida inszeniert das Bild als scheinbare Voraussetzung für die Identität der Frau, das sie in einem Spiel von Anwesenheit und Abwesenheit bejaht und zugleich auch verneint.

Der Begriff des "Bewohnten", "bewohnte Zeichnung", "bewohnte Malerei" oder eben "bewohnte Leinwand", den Helena Almeida für ihre konzeptuelle Auseinandersetzung mit der Linie, dem Bild, dem Raum und dem Körper geprägt hat, trifft sehr genau die Widersprüchlichkeit, die strukturelle Uneindeutigkeit, die hier im Spiel ist.

Almeidas Anfänge liegen in der Malerei, die sie zu einer Abhandlung über das Bild selbst führte: Sie begann dessen materielle Bestandteile wie die Leinwand, den Keilrahmen, die Farbe zum Gegenstand ihrer Untersuchung zu machen und zugleich auch dessen strukturelle (neuzeitliche) Funktion, nämlich ein "Fenster in die Welt" zu bilden, zu hinterfragen. Das führte sie dazu, dieses Bild skulptural zu erweitern, es in den Raum auszudehnen, um es dann mittels Fotografie in unterschiedliche performative Szenarios zu verwandeln.

Almeida, die sich selbst als ihr eigenes "Modell" versteht, untersucht mit den Mitteln der Zeichnung, der Objektkunst, der Malerei und der Sprache die Grenzen des Bildes, indem sie die subtilen Übergänge vom Gegenstand zu dessen Abbild, von einer Bildebene zur anderen bearbeitet.

Ihre konzeptuellen Ansätze für ihre künstlerische Auseinandersetzung sind vielfältig, poetisch, erfinderisch und zugleich von höchster bildnerischer Genauigkeit gegenüber den strukturellen Gegebenheiten. In feinster Differenzierung verwandelt sich die Linie eines fotografierten Fadens im Bild, der hier auch seinen Schatten wirft, in eine Linie auf der Oberfläche des Bildes inszeniert, als hätte die im Foto präsente Künstlerin diese von innen nach außen gezeichnet (Desenho Habitado / Bewohnte Zeichnung, 1975).

Die Realitäten des (fotografischen) Illusionsraums und jene der konkreten Oberfläche, des Bildträgers und seines Materials, prallen hier aufeinander; sie erzeugen einen Widerspruch, eine Form von rätselhafter, unentrinnbarer Verschränkung. Denselben Effekt hat die blaue Farbe, die Almeida auf die Oberfläche einer Fotografie setzt, um damit ihr Gesicht zu verdecken mit dem Effekt, ihre Präsenz im Bild zugleich hervor zu heben und zu verleugnen (Pintura Habitada / Bewohnte Malerei, 1975).

Bei Ouve Me (Höre mich, 1979 ) setzt Almeida die Sprache ein, um diesen Widerspruch zum Ausdruck zu bringen. Die auf ihre Lippen geschriebene Schrift hat zugleich den Effekt einer Naht, die den Mund derjenigen, die gehört werden will, potentiell verschließt, was aber zugleich durch das Sprechen widerrufen wird.

 
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