Reibungsflächen des Visuellen
Salzburg / Innsbruck

 
 


Salzburg
"Ein Bild hielt uns gefangen"
Reibungsflächen des Visuellen

Konzeption: Hildegard Frauenender, Galerie 5020, Salzburg


Innsbruck
 
 
03.10.2000 Gertrud Koch
Wahrnehmung – Projektion und Weltbildung.
Zur Welthaltigkeit des Films
02.10.2000
 
 
19.10.2000 Irit Rogoff
Looking Away – Participations in Visual Culture
20.10.2000
 
 
09.11.2000 Susanne von Falkenhausen
Wie die Gewalt aus der Kunst "spricht".
Über visuelle Codierung von Gewalt 1800 – 1992
02.12.2000
 
 
01.12.2000 Ursula Panhans-Bühler
Sichtbarkeit und Schatten
02.12.2000
 
 
18.12.2000 Robert Pfaller
Die Kunst des delegierten Genießens.
Zur Ästhetik der Interpassivität
19.12.2000
 
 
11.01.2001 Michael Wetzel
"...da ist keine Stelle, die dich nicht sieht...":
Der Blick und das Sehen von Bildern
12.01.2001
 
 
  Beginn jeweils 19.00 oder wie angegeben  
 
 
Gertrud Koch Wahrnehmung – Projektion und Weltbildung.
Zur Welthaltigkeit des Films


In der Regel werden der Film und das Kino zwar wegen ihrer Illusionstechniken unter den Verdacht der Sinnestäuschung gestellt, aber aufgrund ihrer Welthaltigkeit auch wiederum als lakonische Medien des "Realen" geschätzt. Im Vortrag möchte ich zeigen, dass es gerade die Fähigkeit zur Projektion von "real" wirkenden Welten ist, die den Film ästhetisch auszeichnet. Der Widerspruch zwischen photographischer Referenz und Projektion auf der Leinwand entstammt den Produktions- und Wahrnehmungsbedingungen dieses Mediums. Seine Wirkung entsteht eben auch aus der Macht der Projektion, die sich erst im Betrachter und durch dessen Mitspielen einstellt.

Gertrud Koch ist Professorin für Filmwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Forschungsaufenthalte am Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen, am Getty Research Center in Los Angeles u.v.a.

Publikationen (Auswahl):
Herbert Marcuse zur Einführung (zus. mit Hauke Brunkhorst). Hamburg, 1987;
"Was ich erbeute, sind Bilder". Zur filmischen Repräsentation der Geschlechterdifferenz. Frankfurt a. M., 1988;
Die Einstellung ist die Einstellung. Zur visuellen Konstruktion des Judentums,
Frankfurt a. M., 1992;
Siegfried Kracauer zur Einführung. Hamburg, 1996;
Auge und Affekt. Wahrnehmung und Interaktion (Hg.). Frankfurt a. M., 1995;
Bruchlinien – Zur Holocaustforschung (Hg.). Köln, 1999.
Mitherausgeberin zahlreicher deutscher und internationaler Zeitschriften
 
 
Irit Rogoff Looking Away — Participations in Visual Culture

Mithilfe einer Verschiebung der Aufmerksamkeit von der Kunstproduktion und -präsentation zur Kunstrezeption, also zu jenen Menschen, die auf der Ebene des Hinsehens (level of looking) an Kunst teilhaben, soll die Einbeziehung der BetrachterInnen im Feld der bildenden Kunst thematisiert werden. Dies beinhaltet auch eine Infragestellung des Singularitätsanspruches von Kunst sowie eine Auseinandersetzung mit der angeblich erforderlichen Aufmerksamkeit. Ist es möglich, durch "Wegsehen" (looking away) an Kultur teilzuhaben? Also einen anderen, indirekten Zugang zu finden, der es ermöglicht, Vorstellungen, ein Begehren und Identifikationen zu mobilisieren, die sich von den herkömmlichen "Betrachtungsweisen" von Kunst radikal absetzen? (Vortrag in englischer Sprache)

Irit Rogoff ist Professorin am Institute of Art History and Visual Culture am Goldsmiths College der London University. Ihr Forschungsschwerpunkt umfasst die Bereiche Critical Visual Culture (Critical & Theoretical Analysis of Modern and Contemporary Art, Mass Media, Film and Video), Feminism and Gender Theory, Post Colonialism and Emergent Cultural Discourse, Museums and the Curatorial.

Publikationen (Auswahl):
The Divided Heritage – Themes and Problems in German Modernism. Ed. Irit Rogoff. Cambridge University Press, 1991;
Museum Culture – Histories/ Theories/Spectacles. I. Rogoff and D. Sherman, Minnesota University Press, 1994;
Terra Infirma – Geography's Visual Culture Routledge. London/New York, May, 2000;
Othering German Art – Haunts of Difference Forthcoming, University of California Press, September 2001.
 
 
Wie die Gewalt aus der Kunst "spricht":
Über visuelle Codierung von Gewalt 1800–1992


Die Problematik von Gewalt im Bild durchzieht einige Diskussionen, seien sie moralischer, juridischer, gesellschaftlicher oder ästhetischer Art. Es geht dabei um Zensur, um das (Nicht)-Darstellbare, um Medien und Politik, um die Grausamkeiten des Schönen usw. Der Vortrag versucht die Bedingungen der Beredtheit von Bildern in Bezug auf Gewalt in einer Art strukturorientierter Systematik von den Bildern her und am Bild zu befragen, das heißt den ästhetischen Codierungen von Form, Machart, Format und Gattung in der bildenden Kunst von 1800 bis heute nachzugehen, die "Gewalt" visuell transportieren. Dabei geht es auch um eine Kritik an der Annahme, dass Gewalt im ontologischen Sinne in Bildern "sei".

Susanne von Falkenhausen ist Professorin für Neuere Kunstgeschichte mit Schwerpunkt Moderne am kunstgeschichtlichen Seminar der Humboldt-Universität in Berlin. Mitarbeit am Geschlechterstudiengang der Humboldt-Universität. Ihr Forschungsschwerpunkt umfasst die Bereiche Kunst, Architektur und Macht seit der Französischen Revolution, Geschlechterforschung in der Kunstgeschichte der Moderne, Theorien und Praxen von Repräsentationen in der Kunst seit 1945 und die Kunst des 19. Jahrhunderts.

Publikationen (Auswahl):
(Koautorin) Prints and Drawings by Adolph Menzel. A Selection from the Collection of the Museum of West Berlin. Ausstellungskatalog, The Fitzwilliams Museum, Cambridge, 1984; Der zweite Futurismus und die Kunstpolitik des Faschismus in Italien 1922 bis 1943, Frankfurt a. M.,1979;
Italienische Monumentalmalerei im Risorgimento 1830 – 1890.
Strategien nationaler Bildersprache. Berlin, 1993.
 
 
Sichtbarkeit und Schatten

In den Inframince-Notizen Duchamps findet sich unter anderem "Porteur d«Ombre — Societé anonyme des Porteurs d´Ombre, representée par toutes les sources de lumieères (soleil, lune, étoiles, bougies, feu ...) — les porteurs d´Ombre travaillent dans l´inframince".
[Schattenträger – Anonyme Gesellschaft der Schattenträger, repräsentiert von allen Lichtquellen (Sonne, Mond, Sterne, Kerzen, Feuer,...) — die Schattenträger arbeiten in "einer ins Unsichtbare gehenden, infradünnen Struktur". (Sinngemäße Übersetzung der Veranstalterinnen)]
Von da aus wird versucht, die aktuellen bildlichen Verfahrensweisen nachzuzeichnen: die elektronisch-medialen als auch die traditionell-medialen.

Ursula Panhans-Bühler ist Professorin für Kunstgeschichte der Moderne an der Kunsthochschule Kassel. Mitglied der Gesellschaft für Schattenbeschleuniger.

Publikationen (Auswahl):
Minimalismus? Ein Fragezeichen zerrt am begrifflichen Behälter.
In: "Texte zur Kunst" Bd. 19, 1994,
Kurzfassung in "Stehplatz", Bern, 1994;
Sichtbares und Unsichtbares bei Marcel Duchamp. Eine Unterhaltung mit Nikolaus Gerszewsky. In: "Balkonyi", 4/95, Budapest, 1995 (ungarische Version).
Deutsche Version in: ISOTROP # 2, Zeitschrift der Akademie Isotrop, Hamburg, 1996;
A really big Nothing. Über Eva Hesse. Vortragsreihe über "Psychoanalyse und Kunst" am Wiener Institut für Psychoanalyse, 1993.
In: "Schöner Wahn. Zwischen Psychoanalyse und Kunst", Turia & Kant, Wien, 1997;
The narrow line between sight and seeing. On Video Art. Vortrag auf dem International Congress of 20th Century Art, St. Petersburg. Abstract in: Kongressakten, St. Petersburg, 1999.
 
 
Robert Pfaller Die Kunst des delegierten Genießens.
Zur Ästhetik der Interpassivität.


Fernsehkomödien lachen anstelle ihrer Zuschauer, Reisende überlassen das Betrachten der Monumente ihren Kameras, Videofreaks lassen ihren Recorder fernsehen, und Männer vom Schlag der Helden Pierre Klossowskis lieben ihre Frauen, indem sie sich selbst durch stellvertretende Liebhaber ersetzen: Phänomene delegierten Genießens, die in den letzten Jahren in Alltagskultur und Kunst aufgetaucht sind und von der Kunst auch als Thema erkannt wurden. Wir haben dafür den Namen "Interpassivität" vorgeschlagen. Denn nicht Arbeit (Aktivtät), sondern Genuss (Passivität) wird hier anderen überlassen ("inter"). Eines der Rätsel der Interpassivität bildet die Frage, ob die etwa ihren Genuss nicht haben wollen. Bildet der allgemeine Unwillle, Kunst zu betrachten, nicht auch das Geheimnis der interaktiven Installationen? Und der Grund für die Notwendigkeit des Kurators – als einem stellvertretenden Kunstbetrachter? Aber warum wollen die Leute ihren Genuss nicht haben? Und wenn sie ihn schon nicht haben wollen – warum sind sie dann so interessiert daran, dass andere ihn an ihrer Stelle übernehmen?

Rober Pfaller ist Hochschulassistent an der Universität für Gestaltung in Linz. Seit 1998 Gastprofessor für Philosophie an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. 1999 Gastsemester als Adjunct Assistent Professor an der University of Illinois, Chicago, School of Art and Design.

Publikationen (Auswahl):
Althusser. Das Schweigen im Text. München, 1997;
Negation and its Reliabilities. An empty subject for ideology? In: Slavoij Žižek (Ed.): Cogito and the Unconscious, Durham: Duke University Press, 1998;
(Hg.) Interpassivität. Studien über delegiertes Genießen. Wien/New York, 2000.
 
 
Michael Wetzel "... da ist keine Stelle, die dich nicht sieht ...":
Der Blick und das Sehen von Bildern


Seit dem französischen Strukturalismus hat sich die Unterscheidung zwischen Blick und Sehen eingebürgert. Sie geht davon aus, dass das subjektive Sehen nicht einfach von sich aus über eine perzeptive Sichtbarkeit verfügt, sondern erst dort wirklich wahrnimmt, wo – übertragen gesprochen – der gerichtete Blick dem Blick der Dinge begegnet: d. h. wo uns etwas anschaut. Die einfache Konstellation von Betrachter und Bild als Gegenüberstellung von Sehen und Gesehenem erweist sich hier gerade auf dem Schauplatz der Kunst als ungenügend. Das Bild geht nicht in seiner Bestimmung als Visualität auf, seine Bedeutung insistiert gerade als Unsichtbares, jedoch nicht als mystisches Dunkel, sondern als Virtualität des Visuellen. In diesem Sinne verhält sich die subjektive Wahrnehmung des Kunstwerks affin zu seiner Herstellung in der Arbeit des Sichtbar-Machens: nämlich als Auseinandersetzung mit der Medialität des Bildes  – im piktoralen wie plastischen Sinne. Das Mediale ist also nicht instrumentell als prothesenhafte Extension des subjektiven Sehens misszuverstehen, gibt doch der Künstler im Werk nicht sein Sehen wieder: Radikal gesprochen sieht er mit den Augen des Bildes, geht ihm der Blick auf im Spiegel der Materialitäten, der Apparaturen und der Codes des Werkprozesses. In diesem Sinne ist Wahrnehmen Partizipieren an der Materialität des Bildlichen und Delegieren an seinen Blick.

Michael Wetzel ist Privatdozent für Literaturwissenschaft/Germanistik an der Universität Essen und lebt als freier Autor und Übersetzer in Kassel; seine Arbeitsschwerpunkte sind Neue Medien, Französische Theorie, Männerphantasien über Kindfrauen in Literatur, bildender Kunst und den visuellen Medien, Geschichte des Autor-/Künstlerbegriffs.

Publikationen (Auswahl):
Armaturen der Sinne (hrsg. zus. mit J. Hörisch). München, 1990;
Die Enden des Buches oder die Wiederkehr der Schrift – Von den literarischen zu den technischen Medien. Weinheim, 1991;
Der Entzug der Bilder – Visuelle Realitäten (hrsg. zus. mit H. Wolf), München, 1994;
Die Wahrheit nach der Malerei. München, 1997;
Mignon – Die Kindsbraut als Phantasma der Goethezeit. München, 1999;
Autor/Künstler, in: Ästhetische Grundbegriffe; ein Historisches Wörterbuch Bd. 1, Stuttgart, 2000.
 
 

"Ein Bild hielt uns gefangen"
Reibungsflächen des Visuellen

Die Hervorbringung der Welt in Bildern zeichnete nach Heidegger das Wesen der Neuzeit aus. Bilder waren und sind das eigentliche Transportmittel der Weltvermittlung. Mehr denn je sind durch die technologischen Erleichterungen der Produktion und Reproduktion, aber auch durch die Öffnung globaler Wahrnehmungsschleusen, Bilder allgegenwärtig. Doch die Bildlichkeit selbst scheint zunehmend ihre Unschuld, ihre Stabilität, ihre Verbindlichkeit einzubüßen. Je konstruierter die Welt, je abstrakter die Wahrnehmung selber, umso vehementer stellt sich die Frage nach dem Bild-Gebrauch(en).

Ohne unseren Blick, ohne unser Bewusstsein, so Hans Belting, wären die Bilder etwas anderes oder gar nichts. Bilder im Allgemeinen stellen dar, teilen mit, stiften Bedeutung; aber, wie ein Bild ansehen, über welche Bilder in welcher Weise reden heißt auch, sich des Ortes, des Diskurses klar zu werden, von dem aus man sieht, was man sieht. Was bedeutet nun dieser Blick auf den Blick, das Gewahrwerden des (eigenen) Blicks auf die Dinge, die Bilder, die Kunst? Was inkludiert das Analysieren der Muster und Sehweisen, der kollektiven wie der subjektiven, der aktuellen wie der historischen? Was soll mit dem Blick auf den Blick erkannt werden, was verstellt er wiederum?

Eine der bedrängendsten Fragen heute gilt der visuellen Repräsentation und richtet sich darauf, wie sich eine alles durchdringende Bildproduktion auf uns und die Welt auswirkt. So mag es weder überraschen, dass in den letzten Jahren eine breite Vielfalt von kulturtheoretischen und philosophischen Untersuchungen zu Themen der visuellen Kultur, der Sichtbarkeit, zum Status des Bildes, usf. erschienen ist, noch dass keine Übereinkunft darüber herrscht, wie nun ein zeitgemäßes Modell für eine kritische Reflexion kultureller Formen, der Künste und der Medien aussehen könnte. Diese Fragen nach der Modalität und der Intention des Bild-Gebrauche(n)s beschäftigen zunehmend Kunstproduzierende und Kunstrezipierende.

In dieser Vortragsreihe gehen wir davon aus, dass es in der Kunst auch um etwas anderes geht, gehen kann und gehen soll als um Darstellung, Mitteilung und Bedeutung – um die innere Reflexion des Visuellen. Im Titelzitat von L. Wittgenstein spiegelt sich das Unbehagen in der Erfahrung, wie wir durch Bilder sehen und durch Bilder gesehen werden, in seiner Dialektik und Komplexität wider. Was mit den bilderzeugenden Apparaten und Techniken, was mit den Bildern und durch diese mit uns geschieht und was gegen sie „gemacht„ werden kann, wird in den Vorträgen in unterschiedlichster Weise behandelt. Damit wird der Blick auch auf die Erfahrungs- und Handlungsräume gerichtet, die Kunst zu eröffnen imstande ist.

Hildegard Fraueneder

 
Galerie im Taxispalais Maria-Theresien-Str. 45 A-6020 Innsbruck
Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr LeseRAUM: Di-Sa 11-18, Do 11-20 Uhr
T +43/512/508-3172, -3173 F 508-3175 taxis.galerie@tirol.gv.at