Florian Pumhösl
Wachstum und Entwicklung

31. Jänner 14. März 2004

 
  HALLE
 



Florian Pumhösl, "Village, Museum", 2002-4, Installationsansicht, Courtesy: Galerie Krobath Wimmer, Wien. Foto: Rainer Iglar


Village, Museum
, 2002 – 2004

Installation mit 4 Videoprojektionen, 8:50 Min., Loop, kein Ton
Mitarbeit: Stephan Rabeck, Editing: Hannes Böck
Produktionsassistenz Dar-Es-Salaam: Mohammed Kichaweele, Libaan Yasir
Produktion mit Unterstützung von BBL/Ing., Brüssel
Erstfassung in: ForwArt 02, Museum voor Oude Kunst, Brüssel

Paradise Cinema, Dodoma
Universität von Dar-Es-Salaam
National Museum, Dar-Es-Salaam
Szenen aus: "Jijengee nyumba bora", 1976
Dodoma Valley (National Capital Center)
China Friendship Textile Mill
Bagamoyo Road


Thema von "Village, Museum" ist die Entwicklung von Dodoma, Tansanias Verwaltungshauptstadt, die im Zusammenhang mit dem unter dem Namen "ujamaa" bekannten Dorf-Restrukturierungsprojekt entstanden ist. Die serielle Anordnung von vier Projektionsflächen in der Installation verweist auf die mögliche Vervielfältigung eines Ereignisses oder einer Idee. Die Schnittfolge gibt den Leerstellen dieser Erzählung genau so viel Raum wie den Bildern, die sie belegen sollen.

Als eine Folge der Arusha Declaration (1967) unterzog Tansanias Präsident Julius Nyerere die gesamte Ökonomie des Landes einer sozialistischen Radikalkur; die Dorfstrukturen sollten auf Selbstversorgungsbasis in kolchoseartigen Kooperativen zusammengefasst werden. Dass dieses Projekt ökonomisch sehr bald scheiterte, lag an mehreren Faktoren: mangelndes Wirtschaftswachstum, Dürreperioden, ein Krieg gegen Ugandas Diktator Idi Amin (1979) und die durch Zwangsumsiedelungen gebremsten Euphorie der tansanischen Bevölkerung. Historisch bemerkenswert ist es insofern, als die Modernisierung des Landes nicht durch expansive exportorientierte Industrialisierung vorangetrieben werden sollte, sondern durch den schrittweisen Umbau vorhandener Strukturen auf nationaler Basis.
In diesem Sinn sollte die neue Hauptstadt Dodoma eine Anti-Metropole sein, ein nichthierarchischer Zusammenschluss, den "Ujamaa"-Villages gewissermaßen eingeschrieben nichts weniger als die erste nichtmonumentale Hauptstadt. Was heute existiert, wird nicht als Capital City, sondern als Capital Town bezeichnet: etwa 15 Prozent der geplanten Bebauung wurden realisiert, und bewegt man sich etwa mit dem Auto in jenen Bezirk, der im Plan der Capital Development Authority als National Capital Centre ausgewiesen ist, steht man mitten in der angrenzenden Steppe. So stellt Dodoma anders als beabsichtigt tatsächlich eine nichtmonumentale Hauptstadt dar und steht unfreiwillig für das, was das Projekt "ujamaa" eigentlich hinterlassen hat: Verdichtungen von Ansiedlungen, Infrastrukturen, Identitäten. Eine ganze Reihe von Fragmenten, die sich selten in "fertigen" architektonischen oder narrativen Figuren äußert. Sie werden in der Abfolge der Videosequenzen wiederum durch Orte kollektiven Erinnerns ergänzt: durch den Anfang der 1960er Jahre errichteten Campus der Universität von Dar es Salaam (ein Think Tank der ostafrikanischen Linken), das Nationalmuseum, in dem die Geschichte von Unabhängigkeitsbewegung und "ujamaa" dargestellt ist, ein Kino (Paradise Cinema) und eine mit chinesischer Unterstützung errichtete Wohnsiedlung. Der 1976 gedrehte Lehrfilm "Jijengee nyumba bora" (Building yourself a better house), der den kollektiven Arbeitsprozess an einem Modellhaus im Stadtteil Manzese in Dar es Salaam demonstriert, verdeutlicht wohl am besten, dass die Idee einer nicht auf schlagartigem Wachstum basierenden Gesellschaftsreform keine expressiven Baudenkmäler aus Fertigbeton hinterlässt, wie sie schon fast zum Sinnbild für die Jahre nach den afrikanischen postkolonialen Staatengründungen geworden sind.

Florian Pumhösl

 
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