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Florian Pumhösl, "Village, Museum", 2002-4,
Installationsansicht, Courtesy: Galerie Krobath Wimmer, Wien.
Foto: Rainer Iglar
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Village, Museum, 2002 – 2004
Installation mit 4 Videoprojektionen,
8:50 Min., Loop, kein Ton
Mitarbeit: Stephan Rabeck, Editing: Hannes Böck
Produktionsassistenz Dar-Es-Salaam: Mohammed Kichaweele, Libaan
Yasir
Produktion mit Unterstützung von BBL/Ing., Brüssel
Erstfassung in: ForwArt 02, Museum voor Oude Kunst, Brüssel
Paradise Cinema, Dodoma
Universität von Dar-Es-Salaam
National Museum, Dar-Es-Salaam
Szenen aus: "Jijengee nyumba bora", 1976
Dodoma Valley (National Capital Center)
China Friendship Textile Mill
Bagamoyo Road
Thema von "Village, Museum" ist die Entwicklung von Dodoma,
Tansanias Verwaltungshauptstadt, die im Zusammenhang mit dem unter
dem Namen "ujamaa" bekannten Dorf-Restrukturierungsprojekt
entstanden ist. Die serielle Anordnung von vier Projektionsflächen
in der Installation verweist auf die mögliche Vervielfältigung
eines Ereignisses oder einer Idee. Die Schnittfolge gibt den Leerstellen
dieser Erzählung genau so viel Raum wie den Bildern, die sie
belegen sollen.
Als eine Folge der Arusha Declaration (1967)
unterzog Tansanias Präsident Julius Nyerere die gesamte Ökonomie
des Landes einer sozialistischen Radikalkur; die Dorfstrukturen
sollten auf Selbstversorgungsbasis in kolchoseartigen Kooperativen
zusammengefasst werden. Dass dieses Projekt ökonomisch sehr
bald scheiterte, lag an mehreren Faktoren: mangelndes Wirtschaftswachstum,
Dürreperioden, ein Krieg gegen Ugandas Diktator Idi Amin (1979)
und die durch Zwangsumsiedelungen gebremsten Euphorie der tansanischen
Bevölkerung. Historisch bemerkenswert ist es insofern, als
die Modernisierung des Landes nicht durch expansive exportorientierte
Industrialisierung vorangetrieben werden sollte, sondern durch den
schrittweisen Umbau vorhandener Strukturen auf nationaler Basis.
In diesem Sinn sollte die neue Hauptstadt Dodoma eine Anti-Metropole
sein, ein nichthierarchischer Zusammenschluss, den "Ujamaa"-Villages
gewissermaßen eingeschrieben –
nichts weniger als die erste nichtmonumentale Hauptstadt. Was heute
existiert, wird nicht als Capital City, sondern als Capital Town
bezeichnet: etwa 15 Prozent der geplanten Bebauung wurden realisiert,
und bewegt man sich etwa mit dem Auto in jenen Bezirk, der im Plan
der Capital Development Authority als National Capital Centre ausgewiesen
ist, steht man mitten in der angrenzenden Steppe. So stellt Dodoma
– anders als beabsichtigt –
tatsächlich eine nichtmonumentale Hauptstadt dar und steht
unfreiwillig für das, was das Projekt "ujamaa" eigentlich
hinterlassen hat: Verdichtungen von Ansiedlungen, Infrastrukturen,
Identitäten. Eine ganze Reihe von Fragmenten, die sich selten
in "fertigen" architektonischen oder narrativen Figuren
äußert. Sie werden in der Abfolge der Videosequenzen
wiederum durch Orte kollektiven Erinnerns ergänzt: durch den
Anfang der 1960er Jahre errichteten Campus der Universität
von Dar es Salaam (ein Think Tank der ostafrikanischen Linken),
das Nationalmuseum, in dem die Geschichte von Unabhängigkeitsbewegung
und "ujamaa" dargestellt ist, ein Kino (Paradise Cinema)
und eine mit chinesischer Unterstützung errichtete Wohnsiedlung.
Der 1976 gedrehte Lehrfilm "Jijengee nyumba bora" (Building
yourself a better house), der den kollektiven Arbeitsprozess an
einem Modellhaus im Stadtteil Manzese in Dar es Salaam demonstriert,
verdeutlicht wohl am besten, dass die Idee einer nicht auf schlagartigem
Wachstum basierenden Gesellschaftsreform keine expressiven Baudenkmäler
aus Fertigbeton hinterlässt, wie sie schon fast zum Sinnbild
für die Jahre nach den afrikanischen postkolonialen Staatengründungen
geworden sind.
Florian Pumhösl
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