Florian Pumhösl
Wachstum und Entwicklung

31. Jänner 14. März 2004

 
  RAUM 1
 


Florian Pumhösl, "Lac Mantasoa", 2000, Installationsansicht, Courtesy: Galerie Krobath Wimmer, Wien. Foto: Rainer Iglar

Lac Mantasoa
, 2000

11:54 Min., ohne Ton
Unterwasserkamera: Daniel Abed-Navandi
Editing: Rita Hochwimmer, Torsten Heinemann
Dank an: Rajemsm Philibert, Robin Ranoarivony, Flavien Raveloson

Hochofen
Lycée Polytechnique
Kino und Theatersaal der Schule in der ehemaligen Munitionsfabrik (nicht in Gebrauch)
Reservoir Lac Mantasoa
Privates Feriendomizil des ersten Präsidenten
Überreste der Mine und des Waldes am Grund des Stausees


"Lac Mantasoa" entstand als erste der hier gezeigten Videoinstallationen, in denen signifikante Stadtentwicklungen in Ost- und Südostafrika dargestellt werden. Es ist der Versuch einer visuellen Bestandsaufnahme, die auch die Grenzen zwischen dem künstlich Geschaffenen und dem natürlich Entstandenen erforscht. Der selektive Charakter der Bilder wird durch die Konzentration auf ihre Präsenz im Raum und durch den Verzicht auf Gepflogenheiten des dokumentarischen Erzählens deutlich.
Die Abfolge von politischen und architektonischen Entwicklungen, die mit diesen Bildern in Verbindung gebracht werden kann, verdeutlicht den prozesshaften Charakter von Modernisierung.

Mitte des 19. Jahrhunderts stand die Merina-Dynastie, die am Ende des 18. Jahrhunderts nahezu ganz Madagaskar unter ihrer Herrschaft vereinigt hatte, zunehmend im Interessenkonflikt zwischen ihrer politischen Selbständigkeit und der Öffnung gegenüber den europäischen Kolonialmächten; diese trieben die wirtschaftliche Ausbeutung und Missionierung voran und waren im Begriff, die noch nicht besetzten Gebiete Afrikas untereinander aufzuteilen. Einige Staaten, darunter auch Madagaskar, versuchten, durch selbst gewählte Isolation den kolonialen Ambitionen entgegenzuwirken.
Die Geschichte des Industriekomplexes, den der Franzose Jean-Baptiste Laborde zu dieser Zeit im zentralen Hochplateau etwa 60 Kilometer östlich der Hauptstadt Antananarivo errichten ließ, ist in jeder Geschichtsschreibung Madagaskars notiert. Geplant war eine Industriestadt europäischen Zuschnitts: Soatsimanampiovana, die "Schöne, die sich nicht verändert", sollte rund um Bergbau und Industrie Wohn-, Erholungs- und Repräsentationsbauten versammeln. Bis Laborde wegen seiner Beteiligung an einem Komplott gegen die Merina-Regentin Ranavalona II. des Landes verwiesen wurde, waren neben dem Erzbergwerk, einem Hochofen, seinem Wohnhaus und einer Residenz für die Königin einige Fabrikgebäude fertig gestellt. Dort wurden Waffen, Munition, Glas und Keramik sowie Ziegel, Seide, Kohle und Blitzableiter hergestellt. Unmittelbar nach Labordes Ausweisung wurden die Anlagen von Zwangsarbeitern, die sie errichtet und betrieben hatten, zerstört.
Während der Diktatur der französischen Kolonialmacht, die ab 1895 das Land annektiert hatte, wurde im Zuge weitreichender Infrastrukturprojekte während der Kolonialherrschaft 1936/37 unweit des Dorfes Mantasoa ein Stausee von rund zwölf Kilometer Länge angelegt, der einen Teil der noch übrigen Anlagen überflutete. Er dient bis heute als Wasserreservoir für die umliegenden Reisanbaugebiete; an seinen Ausläufern befinden sich kleine Kraftwerke. Seither hat sich die Region um den Stausee zu einem Naherholungsgebiet entwickelt, vorwiegend frequentiert von der Oberschicht Antananarivos und von ausländischen Geschäftsleuten. Das Gelände des ehemaligen Industriekomplexes wurde mehrfach adaptiert, umgewidmet, geschliffen oder ergänzt. Die Videoaufnahmen bilden charakteristische Ausschnitte des gegenwärtigen Bestandes im Gebiet des Stausees und des Ortes Mantasoa ab. Unweit von dem heutigen Ortsanfang liegen in unmittelbarer Nachbarschaft der gut erhaltene Hochofen und die zwischenzeitlich zur Kaserne umfunktionierte Munitionsfabrik, die dem dort ansässigen Lycée Polytechnique (errichtet 1957) angegliedert wurde. Im ehemaligen Wohnhaus Labordes im Zentrum von Mantasoa wird die Geschichte des Ortes in einer permanenten Ausstellung präsentiert.
Eine der Staumauern des Reservoirs befindet sich etwa drei Kilometer vom Ort Mantasoa entfernt; hier liegen entlang des Seeufers einige Hotelanlagen und Villen, darunter das private Ferienhaus des ersten Präsidenten der seit 1960 unabhängigen Republik Madagaskar, Philibert Tsiranana; seit dessen Entmachtung 1972 verfällt es langsam. Auf dem Grund des im Gebiet der ehemaligen Anlagen zwischen 9 und 13 Meter tiefen, grünlich-trüben Sees befinden sich neben den Resten des vor der Errichtung weitgehend abgeholzten Baumbestands einige Mauerfragmente, die von Anlagen zur Kohleherstellung und dem Erzbergwerk stammen. Der Seeboden ist von einer nahezu ebenen Schicht aus Sedimenten bedeckt.

Florian Pumhösl

 
Galerie im Taxispalais Maria-Theresien-Str. 45 A-6020 Innsbruck
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