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                  Florian Pumhösl, "Lac Mantasoa", 
                  2000, Installationsansicht, Courtesy: Galerie Krobath Wimmer, 
                  Wien. Foto: Rainer Iglar | 
               
            
              
             
             
            Lac Mantasoa, 2000 
        
            
            11:54 Min., ohne Ton 
              Unterwasserkamera: Daniel Abed-Navandi 
              Editing: Rita Hochwimmer, Torsten Heinemann 
              Dank an: Rajemsm Philibert, Robin Ranoarivony, Flavien Raveloson 
            
            Hochofen 
              Lycée Polytechnique 
              Kino und Theatersaal der Schule in der ehemaligen Munitionsfabrik 
              (nicht in Gebrauch) 
              Reservoir Lac Mantasoa 
              Privates Feriendomizil des ersten Präsidenten  
              Überreste der Mine und des Waldes am Grund des Stausees 
            
             
              "Lac Mantasoa" entstand als erste der hier gezeigten Videoinstallationen, 
              in denen signifikante Stadtentwicklungen in Ost- und Südostafrika 
              dargestellt werden. Es ist der Versuch einer visuellen Bestandsaufnahme, 
              die auch die Grenzen zwischen dem künstlich Geschaffenen und 
              dem natürlich Entstandenen erforscht. Der selektive Charakter 
              der Bilder wird durch die Konzentration auf ihre Präsenz im 
              Raum und durch den Verzicht auf Gepflogenheiten des dokumentarischen 
              Erzählens deutlich.  
              Die Abfolge von politischen und architektonischen Entwicklungen, 
              die mit diesen Bildern in Verbindung gebracht werden kann, verdeutlicht 
              den prozesshaften Charakter von Modernisierung. 
            
            Mitte des 19. Jahrhunderts stand die Merina-Dynastie, 
              die am Ende des 18. Jahrhunderts nahezu ganz Madagaskar unter ihrer 
              Herrschaft vereinigt hatte, zunehmend im Interessenkonflikt zwischen 
              ihrer politischen Selbständigkeit und der Öffnung gegenüber 
              den europäischen Kolonialmächten; diese trieben die wirtschaftliche 
              Ausbeutung und Missionierung voran und waren im Begriff, die noch 
              nicht besetzten Gebiete Afrikas untereinander aufzuteilen. Einige 
              Staaten, darunter auch Madagaskar, versuchten, durch selbst gewählte 
              Isolation den kolonialen Ambitionen entgegenzuwirken.  
              Die Geschichte des Industriekomplexes, den der Franzose Jean-Baptiste 
              Laborde zu dieser Zeit im zentralen Hochplateau etwa 60 Kilometer 
              östlich der Hauptstadt Antananarivo errichten ließ, ist 
              in jeder Geschichtsschreibung Madagaskars notiert. Geplant war eine 
              Industriestadt europäischen Zuschnitts: Soatsimanampiovana, 
              die "Schöne, die sich nicht verändert", sollte 
              rund um Bergbau und Industrie Wohn-, Erholungs- und Repräsentationsbauten 
              versammeln. Bis Laborde wegen seiner Beteiligung an einem Komplott 
              gegen die Merina-Regentin Ranavalona II. des Landes verwiesen wurde, 
              waren neben dem Erzbergwerk, einem Hochofen, seinem Wohnhaus und 
              einer Residenz für die Königin einige Fabrikgebäude 
              fertig gestellt. Dort wurden Waffen, Munition, Glas und Keramik 
              sowie Ziegel, Seide, Kohle und Blitzableiter hergestellt. Unmittelbar 
              nach Labordes Ausweisung wurden die Anlagen von Zwangsarbeitern, 
              die sie errichtet und betrieben hatten, zerstört.  
              Während der Diktatur der französischen Kolonialmacht, 
              die ab 1895 das Land annektiert hatte, wurde im Zuge weitreichender 
              Infrastrukturprojekte während der Kolonialherrschaft 1936/37 
              unweit des Dorfes Mantasoa ein Stausee von rund zwölf Kilometer 
              Länge angelegt, der einen Teil der noch übrigen Anlagen 
              überflutete. Er dient bis heute als Wasserreservoir für 
              die umliegenden Reisanbaugebiete; an seinen Ausläufern befinden 
              sich kleine Kraftwerke. Seither hat sich die Region um den Stausee 
              zu einem Naherholungsgebiet entwickelt, vorwiegend frequentiert 
              von der Oberschicht Antananarivos und von ausländischen Geschäftsleuten. 
              Das Gelände des ehemaligen Industriekomplexes wurde mehrfach 
              adaptiert, umgewidmet, geschliffen oder ergänzt. Die Videoaufnahmen 
              bilden charakteristische Ausschnitte des gegenwärtigen Bestandes 
              im Gebiet des Stausees und des Ortes Mantasoa ab. Unweit von dem 
              heutigen Ortsanfang liegen in unmittelbarer Nachbarschaft der gut 
              erhaltene Hochofen und die zwischenzeitlich zur Kaserne umfunktionierte 
              Munitionsfabrik, die dem dort ansässigen Lycée Polytechnique 
              (errichtet 1957) angegliedert wurde. Im ehemaligen Wohnhaus Labordes 
              im Zentrum von Mantasoa wird die Geschichte des Ortes in einer permanenten 
              Ausstellung präsentiert.  
              Eine der Staumauern des Reservoirs befindet sich etwa drei Kilometer 
              vom Ort Mantasoa entfernt; hier liegen entlang des Seeufers einige 
              Hotelanlagen und Villen, darunter das private Ferienhaus des ersten 
              Präsidenten der seit 1960 unabhängigen Republik Madagaskar, 
              Philibert Tsiranana; seit dessen Entmachtung 1972 verfällt 
              es langsam. Auf dem Grund des im Gebiet der ehemaligen Anlagen zwischen 
              9 und 13 Meter tiefen, grünlich-trüben Sees befinden sich 
              neben den Resten des vor der Errichtung weitgehend abgeholzten Baumbestands 
              einige Mauerfragmente, die von Anlagen zur Kohleherstellung und 
              dem Erzbergwerk stammen. Der Seeboden ist von einer nahezu ebenen 
              Schicht aus Sedimenten bedeckt. 
            
            Florian Pumhösl 
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