Charlotte Posenenske
19. März – 15. Mai 2005

 
  FOYER  
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Ohne Titel / Untitled, 1968
Filmstills, Super 8, Farbe, ohne Ton, 2005 umkopiert auf 16mm
Charlotte Posenenske unter Mitwirkung von Peter Roehr und Paul Maenz
© Burkhard Brunn, Frankfurt/M., Nachlass Charlotte Posenenske

 

 

Die nicht betitelten filmischen Studien entstanden während einer Fahrt in die Niederlande im Jahr 1968, die Charlotte Posenenske gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann Paul Posenenske, dem späteren Kölner Galeristen Paul Maenz und dem Künstlerfreund Peter Roehr unternahm. Aus dem fahrenden Auto heraus mit einer Super 8-Kamera aufgenommen, sind Geschwindigkeit, das Verstreichen von Zeit, das Moment der Wiederholung und eine gewisse Gleichtönigkeit zentrale Themen der beiden Filmstreifen. Ihre Dauer ist durch die Länge der Filmrollen, also durch eine technische Vorgabe, bestimmt.

„Die Zeeland- und Flevoland-Reise“ schrieb Posenenske in einem Brief an ihren holländischen Galeristen Adriaan van Ravensteijn von art & project, „sind unvergeßlich. Mir gefällt das Künstliche, das Produzierte und Übersichtliche dort. Unsere Filme sind ungeheuer dilettantisch und langweilig. Zum Beispiel: Anfang des Dammes – Damm – Ende des Dammes. Oder 47 gleiche Bäume.“

Charlotte Posenenske war eine der wenigen Künstlerinnen, die sich erfolgreich im künstlerischen Feld der späten 1960er Jahre behauptete. So nahm sie im Sommer 1967 an der von Peter Roehr und Paul Maenz organisierten Ausstellung „Serielle Formationen“ in der Studio Galerie im Studentenhaus der Wolfgang Goethe Universität teil, in der erstmals KünstlerInnen der amerikanischen Minimal Art gemeinsam mit europäischen Positionen dieser Zeit in der Bundesrepublik Deutschland vorgestellt wurden. Ebenfalls 1967 stellte Posenenske gemeinsam mit Hanne Darboven in der damaligen Avantgarde-Galerie Konrad Fischer in Düsseldorf aus – die zweite Ausstellung bei Fischer überhaupt, nachdem dieser mit einer Ausstellung von Carl Andre die Galerie eröffnet hatte.

Dass Charlotte Posenenskes Ansatz auch von der US-amerikanischen Kunstkritik wahrgenommen wurde, belegt die Einladung der Zeitschrift Art International an Charlotte Posenenske, in der Ausgabe vom Mai 1968 die Rubrik „artists on their art“ zu eröffnen, in der unterschiedlichste europäische KünstlerInnen vorgestellt wurden. Posenenske formuliert hier nicht nur programmatische Kernsätze ihrer künstlerischen Vorgehensweise, sondern äußert auch eine grundlegende Skepsis an der gesellschaftlichen Funktion der Kunst. In der Ausstellung „public eye (kinetik, konstruktivismus, environments)“, Kunsthaus Hamburg, im Spätherbst 1968 war Posenenske mit einem „Drehflügel“ vertreten, der letzten realisierten Werkgruppe vor ihrem Entschluss, die künstlerische Arbeit zu beenden.

Das gemeinsam mit Burkhard Brunn verfasste Buch „Vorgabezeit und Arbeitswert“ von 1979 dokumentiert Forschungsergebnisse aus Charlotte Posenenskes Tätigkeit als Sozialwissenschaftlerin.

 
  Charlotte Posenenske arbeitete zwischen 1952 und 1954 als Bühnenbildnerin an den Städtischen Bühnen in Lübeck und anschließend bei dem renommierten Regisseur Gustav Sellner am Landestheater in Darmstadt. Bereits aus dieser Zeit sind ihr Aspekte, die ihre spätere künstlerische Arbeit charakterisieren, bestens vertraut: Arbeitsteiligkeit, das Zusammenspiel verschiedener Akteure und theatralische Qualitäten wie das Moment des Prozesshaften und Zeitgebundenheit.
 
 

1967/68 drehte Gerry Schum im Auftrag des WDR einen Film über Kunst als Auflagenobjekt und über die Folgen des Einzugs industrieller Produktionsweisen in die bildende Kunst. Die Neudefinition der Rollenverteilung zwischen den KünstlerInnen, RezipientInnen und der Herstellung künstlerischer Auflagenobjekte in Zusammenarbeit mit Fachleuten war ein zentrales Thema der Kunstszene der späten 1960er Jahre und damit einhergehend die Frage, wie Kunst ein größeres Publikum erreichen könne. Auflagenobjekte, die rationalisierte Fertigung nach Konstruktionsplänen in Zusammenarbeit mit der Industrie, die Kooperation mit Soziologen und Architekten sowie ein internationales Vertriebssystem aus Lizenzgalerien und Editionsverlagen galten den interviewten Künstlern, Galeristen, Kritikern und Verlegern als geeignete Mittel, wie die Kunst und die Galerien aus ihrer „Exklusivität herausfinden“ könnten, so der Wirtschaftsjournalist Willi Bongard, der als einer der ersten den Zusammenhang zwischen Kunst und Kunstmarkt analysierte.

Charlotte Posenenske ist in Schums Feature mit ihren „Vierkantrohren“ vertreten. In kurzen Einstellungen ist eine Installation aus Wellpappe-Modulen bei Konrad Fischer 1967 zu sehen; eine etwas längere Einstellung zeigt Posenenske selbst, die eine Konfiguration ihrer „Vierkantrohre“ aus Stahlblech auf einer Verkehrsinsel aufbaut.

 
  Werkliste FOYER

Ohne Titel / Untitled, 1968
Super 8, Farbe, ohne Ton
2005 umkopiert auf 16mm
zwei Filmstreifen von je 3 Min.
Charlotte Posenenske unter Mitwirkung von Peter Roehr und Paul Maenz
Burkhard Brunn, Frankfurt/M., Nachlass Charlotte Posenenske

Vierkantrohre, Serie D, 1967
Druck
21 x 29,5 cm
Burkhard Brunn, Frankfurt/M., Nachlass Charlotte Posenenske

Drehflügel, 1967/68
Druck
21 x 42 cm
Burkhard Brunn, Frankfurt/M., Nachlass Charlotte Posenenske

Bühnenbild Der Bärenhäuter, Lübeck 1953
Mischtechnik
25,2 x 40,5 cm, montiert auf Pappe 47,5 x 62,5 cm
Burkhard Brunn, Frankfurt/M., Nachlass Charlotte Posenenske

 
Galerie im Taxispalais Maria-Theresien-Str. 45 A-6020 Innsbruck
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