Sieben Frauen – Sieben Sünden / Seven Women – Seven Sins | Filmprojekt
13. November – 21. November 2004

 
 

Ulrike Ottinger,
"Superbia – Der Stolz"
Helke Sander,
"Völlerei – Völlerei? Füttern!"
Chantal Akerman,
"Portrait d'une paresseuse"
Bette Gordon,
"Greed – Pay to Play"
Maxi Cohen,
"Anger"
Laurence Gavron,
"Il Maestro"
VALIE EXPORT,
"Ein perfektes Paar oder Die Unzucht wechselt ihre Haut"
 
  VÖLLEREI

Helke Sander, "Völlerei?", 1986, Filmstill
Courtesy of Women Make Movies

Helke Sander, Völlerei – Völlerei? Füttern!, 1986 (D)
Regie: Helke Sander
Buch: Helke Sander, Dörte Haak
Kamera: Nurith Aviv; Schnitt: Bettina Böhler
DarstellerInnen: Gabriela Herz (Eva), Michael Dick (Adam)
Farbe, Ton, 12 Min. 56 Sek.
Helke Sander Filmproduktion GmbH
Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF)

Aus Völlerei wird Füttern

... Wir konnten so etwas Unzeitgemäßes wie eine Todsünde nicht mehr liebevoll oder satirisch kritisieren. Damit hätten wir die Berechtigung dieses Herrschaftsinstrumentes ja anerkannt. Außerdem sind diese „Sünden“ zu einer Zeit geboren, als Frauen und gerade Frauen massenhaft vernichtet wurden.
Wir wollten also einen Film machen. Aber wir wollten die Sünden nicht anerkennen. Aber wir fanden: irgendetwas hat EVA tatsächlich falsch gemacht, was mit dem ESSEN in Verbindung steht: Wir konnten es direkt beobachten: die Mutter, die ihr viel zu dickes Kind unentwegt mit Nahrungsmitteln stopft, die Frau, die ständig ihrem Mann auf der langen Autofahrt die Apfelschnitzchen und die Pralinen in den Mund schiebt, die Kochbücher, die Frauen geradezu empfehlen, Konflikte mit gutem ESSEN beizulegen oder auszugleichen.
Aus Evas ursprünglicher Neugierde, aus ihrem Erkenntnisinteresse und ihrer Wachheit, mit der sie sich selbst, ohne erst um Erlaubnis zu bitten, die Welt angeeignet und ihre eigenen Fragen formuliert hat, aus dieser Wachheit, mit der sie zum Apfel gegriffen hat, um Neues zu schmecken und zu erproben, sind nun schon kleinliche Gesten geworden. EVAS Neugierde machte sie menschlich, machte sie zum Menschen. Ihre Neugierde war ihre Intelligenz. Im Film verliert sie beim Apfelessen ihr Tierkleid – während ADAM normalerweise immer noch Haare auf der Brust hat.
Generös möchte sie abgeben, aber ADAM, der sich selbst Tabus setzt, lehnt ihre Entdeckung ab, obwohl er angezogen ist von ihrer dadurch entstandenen Schönheit. Er wird böse. Er wird besonders böse. Das versteht EVA nicht. Sie rennt ihm hinterher, sie möchte ihm klar machen, dass nichts BÖSES daran ist, den Apfel zu essen. Sie VERSTEHT ADAMS Ablehnung nicht. Sie versteht sie bis heute nicht. Und läuft ihm darum bis heute mit ihren Äpfeln hinterher.

Dörte Haak und Helke Sander,1986

 
  Helke Sander
*1937 in Berlin; lebt und arbeitet in Berlin

Helke Sander, die in den 60er Jahren in Finnland als Regisseurin am Theater und im Fernsehen arbeitete und nach ihrer Rückkehr nach Deutschland 1965 an der Berliner Film- und Fernsehakademie (DFFB) und 1966 der Deutschen Film- und Fernsehakademie studierte, wurde neben ihrem künstlerischen Schaffen besonders für ihr gesellschaftspolitisches Engagement bekannt. Als Mitglied der Frauenbewegung greift sie in mehreren dokumentarischen Filmen die Probleme der berufstätigen Frauen und Mütter auf. 1968 war sie Mitbegründerin des „Aktionsrats zur Befreiung der Frauen“, 1972 Mitinitiatorin der Frauengruppe „Brot und Rosen“, die sich u. a. gegen die Aufrechterhaltung des § 218 einsetzte. 1973 organisierte sie mit der Regisseurin Claudia von Aleman das „1. Internationale Frauenfilmseminar“ in Berlin, das erste deutsche Frauenfilmfestival mit 40 deutschen Erstaufführungen. 1974 gründete sie die Zeitschrift „Frauen und Film“, die „einzige europäische feministische Filmzeitschrift“, deren Herausgeberin, Redakteurin und Autorin sie bis 1982 war (sie erscheint heute unter anderer Herausgeberschaft in Frankfurt). Sanders erster abendfüllender Spielfilm Die allseitig reduzierte Persönlichkeit – Redupers (1977) befasste sich mit der Zersplitterung des Alltags und erhielt mehrere internationale Preise.
Neben Filmarbeiten und Lehrtätigkeiten, u. a. an der Hamburger Hochschule für Bildende Künste (Professur 1981–2001) war Helke Sander publizistisch tätig, u. a. für die Berliner tageszeitung. In den letzten Jahren veröffentlichte sie in mehrere Sprachen übersetzte Kurzgeschichten wie „Die Geschichten der drei Damen K.“, die Erzählung „Oh Lucy“ (1991) und zusammen mit Barbara Johr das Buch zum Film "BeFreier und Befreite" mit dem Untertitel „Krieg, Vergewaltigungen, Kinder“. Sie bekam in Amsterdam den Melkweg Award für „Reality Research“. Retrospektiven und Festivals in Amerika, Asien, Australien und Europa.

 
Filme (Auswahl)

Macht die Pille frei?, mit Sarah Schumann, 1972
Männerbünde, mit Sarah Schumann, 1973
Die allseitig reduzierte Persönlichkeit – Redupers, 1977
Der subjektive Faktor, 1980/81
Der Beginn aller Schrecken ist Liebe, 1983/88
Nr.1 – Aus Berichten der Wach- und Patrouillendienste, 1984
(Goldener Bär der Berlinale; Filmband in Gold)
Felix, Episodenfilm, zusammen mit M. v. Trotta, Ch. Buschmann, H. Sanders-Brahms, 1988
Die Deutschen und ihre Männer, 1989
BeFreier und Befreite, 1992
2-teiliger, international beachteter Dokumentarfilm (und Buch) über die Massenvergewaltigungen in Deutschland während der letzten Kriegs- und ersten Nachkriegswochen. In den USA gab es in den folgenden Jahren eine Kontroverse um diesen Film mit vielen Veröffentlichungen.
Dazlak, 1997
Muttertier – Muttermensch, 1998
Dorf, 2001

 
Galerie im Taxispalais Maria-Theresien-Str. 45 A-6020 Innsbruck
Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr LeseRAUM: Di-Sa 11-18, Do 11-20 Uhr
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