Ruth Schnell, „Women Statistics“,
2001, Galerie im Taxispalais, 2005. Fotos: Rainer Iglar
Ruth Schnell A
fünfnullplus 2004
Leuchtstab mit 32 weißen LED, 69 x 69 cm, blau, MDF-Platte,
Epoxyharz, Platine mit Speicher (ca. 100 Wörter), Transformator
Im Besitz der Künstlerin
Die Arbeit „fünfnullplus“ (2004) von Ruth
Schnell aus der Werkreihe „Lichtbilder“ wirkt auf
den ersten Blick wie ein monochromes Tafelbild. In den glatten,
transluzent schimmernden Bildkörper ist ein vertikaler
Balken aus weißen Leuchtdioden eingelassen; er generiert
Wörter, die Hologrammen gleich für Sekundenbruchteile
im Raum stehen. Die Künstlerin macht sich hier den so genannten
„Nachzieheffekt“ zunutze: Eine punktförmig
bewegte Lichtquelle – oder umgekehrt eine unbewegte Lichtquelle
bei schneller Bewegung des Auges – wird als Lichtstreifen
abgebildet, als Nachbild, welches auf der Netzhaut produziert
und vom Gehirn interpretiert wird. In der individuellen Wahrnehmung
entfalten sich die Wörter im Raum. Die in eine zeitliche
Abfolge hochfrequenter Impulse umgewandelten, codierten Buchstaben
sind jedoch nur dann lesbar, wenn die BetrachterInnen selbstverständliche,
am Akt des Lesens eingeübte Rezeptionsmuster aufgeben.
Erforderlich ist ein frei schwebender Blick, ein Schauen am
Objekt vorbei: Das Erfassen der Schriftbilder setzt Absichtslosigkeit
voraus.
Die etwa 100 für die Arbeit „fünfnullplus“
gewählten Begriffe – Leistung, unbezahlt, Familie,
Versorgung, Sicherung, Defizite, um nur ein paar wenige zu nennen
– skizzieren die Deregulierung von Wirtschaft und Gesellschaft
und hier insbesondere die Situation von Frauen über 50
auf dem Arbeitsmarkt.
Die optische Wahrnehmung wird somit zur Metapher für die
Nicht-Sichtbarkeit der statischen Daten und Untersuchungen,
auf denen die Auswahl der Begriffe beruht. |